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Abschnüren ohne Schnur: Auf den Wurm gekommene Bakterien teilen sich anders

10.10.2016

Eine neue Studie liefert spannende Einblicke, wie Bakterienzellen sich teilen. Das zeigt nicht nur, wie wenig wir über Bakterien außerhalb unserer Labors wissen, sondern bringt uns auch der Entwicklung neuartiger Antibiotika einen kleinen Schritt näher.

 

Obwohl die Vielfalt der Mikroorganismen und ihre Dominanz in allen Ökosystemen lange bekannt ist, bleibt unser Wissen in vielen Bereichen der Mikrobiologie bis heute sehr begrenzt. Ein Beispiel dafür ist die Zellteilung. Sie ist die Fortpflanzung der Bakterien, aus einer Zelle werden zwei. Ein Protein namens FtsZ spielt dabei eine Schlüsselrolle: Wie ein Gummiband legen sich FtsZ-Moleküle ringförmig um die Zelle und scheinen sie regelrecht abzuschnüren. Damit leitet das FtsZ nach aktuellem Wissensstand die Zellteilung ein. Doch das funktioniert nicht immer so, wie die nun vorliegende Studie zeigt.

Copyright: Nikolaus Leisch
„Fast alle bisherigen Forschungen zum Thema wurden an einer Handvoll Modellorganismen durchgeführt, die sich im Labor kultivieren lassen“, erklärt Erstautor Niko Leisch vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie. Vieles bleibt dadurch jedoch unentdeckt. Leisch, gemeinsam mit Studienleiterin Silvia Bulgheresi von der Universität Wien und Tanneke den Blaauwen von der Universität Amsterdam, nutzte daher Organismen, die nicht im Labor wachsen. Sie untersuchten Bakterien, die als Symbionten auf der Oberfläche eines kleinen Fadenwurms leben. Dieser Wurm lebt in Symbiose mit nur einer einzigen Art von Bakterien, welche einen dichten, geordneten „Mantel“ auf der Oberfläche des Wurms bilden. „Daher können wir auf diesen Würmern natürliche Populationen in Reinkultur untersuchen“, erklärt Leisch die Vorzüge dieses „Tricks“.

Die nun untersuchten Bakterien teilen sich der Länge nach, was für stäbchenförmige Bakterien schon sehr ungewöhnlich ist. Doch darüber hinaus fanden die Forscher, dass die Bakterien sich asymmetrisch teilen. Die Zellteilung beginnt an jenem Ende der Zelle, das den Wurm berührt. Erst später folgt der Zellpol, der der Umwelt zugewandt ist.

 

„In den Lehrbüchern der Mikrobiologie steht, dass Zellen vor der Teilung einen Ring aus FtsZ bilden“, fährt Leisch fort. „Doch trotz hochauflösender mikroskopischer Verfahren mit speziellen Farbstoffen konnten wir keinen Ring finden.“ FtsZ war vorhanden aber die Proteine bildeten nur vereinzelte Anhäufungen entlang der Längsachse der Zellen. „Da sie keinen Ring bilden, müssen diese FtsZ-Punkte einzeln eine Kraft ausüben, um die Zelle zu teilen. Das wurde bisher noch nie beobachtet und wirft natürlich viele weitere Fragen auf. Wie wird beispielsweise die nötige Kraft erzeugt, um die Zellen abzuschnüren?“

Warum das alles wichtig ist? „Der Großteil dessen, was wir heute über Bakterien und ihr Wachstum und ihre Vermehrung wissen, schulden wir der Arbeit an kultivierbaren Modellorganismen“, so Leisch. „Aber gerade Arbeiten an Bakterien aus der Umwelt haben in den letzten Jahren immer wieder gezeigt, dass die Maschinerie, die hinter der Zellteilung steht, um einiges flexibler und komplexer ist als bisher angenommen. Ein besseres Verständnis des Wachstums und der Teilung von Bakterien ist ein wichtiger Schlüssel zur Entwicklung von möglichen neuen Antibiotika.“

Die Forscher vermuten, dass der Wurm, auf dem sie leben, den Bakterien das Signal zur Zellteilung gibt. Er scheint seine Symbionten sehr gut unter Kontrolle zu haben. So schafft er es zum Beispiel, dass die Bakterien dicht an dicht auf seiner ganzen Oberfläche wachsen – außer am Kopf und am Schwanzende. „Wie er das macht, wissen wir noch nicht“, so Leisch.


„Antibiotikaresistenzen sind heute ein großes Problem. Bei der Entwicklung neuer Antibiotika ist es wichtig, Bakterien am Wachstum zu hindern. Der Wurm kann das scheinbar. Wenn wir herausfinden, wie er das macht und wie die Zellteilung der Bakterien gesteuert wird, kann das bei der Entwicklung zukünftiger Antibiotika helfen.“


Wahrscheinlich ist die ungewöhnliche Zellteilung der Bakterien eine Anpassung an ihre symbiotische Lebensweise, schreiben Leisch und seine Kollegen. Um die dahinterliegenden Prozesse und deren Bedeutung besser zu verstehen, müssen mehr Studien an solchen nicht-kultivierbaren Mikroorganismen durchgeführt werden.

Copyright: Nikolaus Leisch
Der Fadenwurm namens Robbea hypermnestra kommt vor allem in seichten Gewässern in der Karibik vor. Leisch und seine Kollegen sammelten ihre Proben vor der Feldstation des Smithonian Instituts in Belize und analysierten sie anschließend mit unterschiedlichen Methoden an den Forschungseinrichtungen in Wien, Amsterdam und Bremen.

Originalveröffentlichung

Nikolaus Leisch, Nika Pende, Philipp M. Weber, Harald R. Gruber-Vodicka, Jolanda 
Verheul, Norbert O. E. Vischer, Sophie S. Abby, Benedikt Geier, Tanneke den Blaauwen and Silvia Bulgheresi: Asynchronous division by non-ring FtsZ in the gammaproteobacterial symbiont of Robbea hypermnestra. Nature Microbiology.
DOI: 10.1038/nmicrobiol.2016.182

Beteiligte Institute

Universität Wien, Department für Ökogenomik und Systembiologie, Althanstrasse 14, 1090 Wien, Österreich 

Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, Celsiusstrasse 1, 28359 Bremen, Deutschland
Bacterial Cell Biology, Swammerdam Institute of Life Sciences, University of Amsterdam, Boelelaan 1108, 1081 HZ Amsterdam, Niederlande

Rückfragen bitte an

Pressereferentin

Dr. Fanni Aspetsberger

MPI für Marine Mikrobiologie
Celsiusstr. 1
D-28359 Bremen

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1345

Telefon: 

+49 421 2028-9470

Dr. Fanni Aspetsberger
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