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Einfacher als erwartet: Die bakteriellen Aufräumarbeiten nach Algenblüten sind gar nicht so komplex

26.07.2019
Der bakterielle Abbau von Algenblüten erscheint überraschend einfach
Bremen

Algenblüten sorgen regelmäßig für schöne, verwirbelte Satellitenbilder von Seen und Ozeanen. Ab und an hört man auch von Ansammlungen giftiger Algen, die Fische, Menschen und andere Tiere gefährden. Weniger bekannt ist, was für eine bedeutende Rolle sie im globalen Kohlenstoffkreislauf spielen. Eine aktuelle Studie liefert nun überraschende Fakten über den Kohlenstofffluss in Algenblüten. Unerwartet wenige Bakteriengruppen mit einer begrenzten Anzahl von Genen zersetzen den größten Teil der vorhandenen Algenzucker.

 

Helgoland ist Deutschlands einzige echte Hochseeinsel, bekannt eher für Seevögel, Robben und zollfreies Einkaufen als für winzige Algen. Aber was die MPI-WissenschaftlerInnen interessierte, war das Schicksal der organischen Substanz nach dem Tod der Algen. (© Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, Naomi Esken)
Helgoland ist Deutschlands einzige echte Hochseeinsel, bekannt eher für Seevögel, Robben und zollfreies Einkaufen als für winzige Algen. Aber was die MPI-WissenschaftlerInnen interessierte, war das Schicksal der organischen Substanz nach dem Tod der Algen. (© Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, Naomi Esken)

Algen nehmen Kohlendioxid (CO2) aus der Atmosphäre auf und verwandeln den Kohlenstoff in Biomasse. Den enthaltenen Sauerstoff geben sie wieder an die Atmosphäre ab. Das schnelle Algenwachstum während einer Phytoplanktonblüte führt zu einem massiven Transfer von Kohlendioxid in die Biomasse der Algen. Aber was passiert danach mit dem Kohlenstoff?

„Sobald die Algen sterben, wird der Kohlenstoff von Mikroorganismen, die die Algenreste nutzen, remineralisiert. Dadurch gelangt er wiederum als Kohlendioxid in die Atmosphäre. Sinken die toten Algen hingegen auf den Meeresgrund, wird die organische Substanz im Sediment vergraben, manchmal für sehr lange Zeit“, erklärt Erstautorin Karen Krüger vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie in Bremen. „Die Vorgänge, die hinter der Remineralisierung des Algenkohlenstoffs, sind noch nicht vollständig verstanden.“

Daher untersuchten Krüger und ihre KollegInnen Mikroorganismen während der Frühjahrsalgenblüte in der Nordsee bei Helgoland. Besonderes Augenmerk legte sie auf die bakterielle Nutzung von Polysacchariden. Das sind Zucker, die einen wesentlichen Teil der Algenbiomasse ausmachen. Gemeinsam mit Forschenden vom Max-Planck-Institut, der Universität Greifswald und dem DOE Joint Genome Institute in Kalifornien führte Krüger eine gezielte metagenomische Analyse des Bacteroidetes-Stammes durch. Dieser Stamm ist dafür bekannt, viele Polysaccharide zu konsumieren. Sie untersuchten Gencluster, die PULs (polysaccharide utilisation loci) genannt werden und charakteristisch für ein bestimmtes Polysaccharidsubstrat sind. Das bedeutet: Wenn ein Bakterium einen bestimmten PUL enthält, lässt das vermuten, dass es sich von dem entsprechenden Algenzucker ernährt.

Geringe Vielfalt von PULs

„Anders als erwartet war die Vielfalt der wichtigen PULs ziemlich gering“, berichtet Krüger. Die Bakterien konzentrierten sich im Großen und Ganzen auf fünf wichtige Klassen von Polysacchariden: Beta-Glucane (wie Laminarin, der wichtigste Speicherstoff von Kieselalgen), Alpha-Glucane (wie Stärke und Glykogen, ebenfalls Speicherstoffe von Algen und Bakterien), Mannane und Xylane (Bestandteile der Algenzellwand) und Alginate (vielen bekannt als schleimige Substanz bei Braunalgen). Von diesen fünf Substraten sind zwei (Alpha- und Beta-Glucane) besonders zahlreich. Die wichtigsten Polysaccharidsubstrate, die von den sterbenden Algen freigesetzt werden, bestehen also aus nur wenigen Grundbestandteilen.

„Angesichts dessen, wie vielfältig Algen und Bakterien sind und wie komplex Polysaccharide sein können, waren wir recht überrascht, ein so begrenztes Spektrum an PULs zu finden, und das in vergleichsweise wenigen Bakteriengruppen“, kommentiert Mitautor Ben Francis vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie in einem begleitenden Text. „Das war besonders unerwartet, weil frühere Studien etwas anderes nahelegten. Eine Analyse von mehr als 50 Bakterienisolaten – also Bakterien, die auch im Labor wachsen –, die unsere Arbeitsgruppe im gleichen Gebiet durchgeführt hat, ergab eine viel größere Vielfalt an PULs“, fügt er hinzu

 

 

 

A microbial system with unexpectedly low complexity?

Begleitender Kommentar von Thomas Ben Francis (Nature Microbiology Community)

Zeitliche Abfolge des Abbaus von Polysacchariden

Im Verlauf der Algenblüte beobachteten die WissenschaftlerInnen ein klares Muster: Am Beginn der Blüte dominierten weniger und einfachere Polysaccharide, während im späteren Verlauf komplexere Polysaccharide verfügbar wurden. Das liegt vermutlich an zwei Faktoren, erklärt Francis: „Erstens bevorzugen die Bakterien normalerweise leicht-abbaubare Substrate wie einfache Speicherstoffe gegenüber biochemisch anspruchsvolleren Substraten. Zweitens werden im Verlauf der Blüte, wenn immer mehr Algen sterben, immer komplexere Polysaccharide verfügbar.“

Diese Studie liefert noch nicht dagewesene Einblicke in die Dynamik einer Phytoplanktonblüte und ihrer Protagonisten. Ein grundlegendes Verständnis der wichtigsten Teile des glykanbezogenen Kohlenstoffflusses während einer Algenblüte ist nun in Reichweite. „Als nächstes wollen wir uns genauer mit den dahinterliegenden Prozessen beschäftigen“, sagt Krüger. „Außerdem wollen wir herausfinden, wie der Abbau von Polysacchariden in Lebensräumen mit anderen Kohlenstoffquellen, zum Beispiel der Arktis oder dem Sediment, abläuft.“

 

Originalveröffentlichung:

Beteiligte Institute:

Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, 28359 Bremen, Deutschland

DOE Joint Genome Institute, Walnut Creek, CA 94598, USA

Universität Greifswald, 17489 Greifswald, Deutschland

Rückfragen bitte an:

Direktor

Abteilung Molekulare Ökologie

Prof. Dr. Rudolf Amann

MPI für Marine Mikrobiologie
Celsiusstr. 1
D-28359 Bremen

Raum: 

2221

Telefon: 

+49 421 2028-9300

Prof. Dr. Rudolf Amann

Pressereferentin

Dr. Fanni Aspetsberger

MPI für Marine Mikrobiologie
Celsiusstr. 1
D-28359 Bremen

Raum: 

1345

Telefon: 

+49 421 2028-9470

Dr. Fanni Aspetsberger
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