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For­scher de­fi­nie­ren den Ur­sprung des Kraft­werks der Zel­le neu

25.04.2018

In einer neuen im Fachmagazin "Nature" veröffentlichten Studie schlägt ein internationales Team von Forschern unter Leitung der Universität Uppsala in Schweden einen neuen evolutionären Ursprung für Mitochondrien vor. Mitochondrien - auch bekannt als "Kraftwerke der Zelle" - sind energiewandelnde Organellen, die eine Schlüsselrolle bei der Entstehung von komplexem zellulärem Leben auf der Erde gespielt haben.

 

Mi­to­chon­dri­en sind ein wich­ti­ges Kenn­zei­chen von eu­ka­ryo­ti­schen Zel­len – also al­len kom­ple­xen Or­ga­nis­men ein­schließ­lich Men­schen, Tie­ren, Pflan­zen und Pil­zen. Die Tat­sa­che, dass alle eu­ka­ryo­ti­schen Zel­len Mi­to­chon­dri­en ha­ben (oder hat­ten), deu­tet dar­auf hin, dass der Ur­sprung die­ser Or­ga­nel­len wahr­schein­lich eine tief­grei­fen­de Rol­le bei der evo­lu­tio­nä­ren Ent­ste­hung kom­ple­xer eu­ka­ryo­ti­scher Zel­len spiel­te. Be­wei­se aus den letz­ten Jahr­zehn­ten un­ter­stüt­zen die Hy­po­the­se, dass Mi­to­chon­dri­en mit­tels En­do­sym­bio­se ent­stan­den - ein Pro­zess, bei dem ein frei­le­ben­des Bak­te­ri­um von ei­ner Wirts­zel­le auf­ge­nom­men wird. Die Iden­ti­tät die­ses Mi­to­chon­dri­en-Vor­fah­ren so­wie die Art der En­do­sym­bio­se wer­den je­doch hef­tig dis­ku­tiert.

"Frü­he­re Ar­bei­ten ha­ben über­zeu­gen­de Be­wei­se da­für ge­lie­fert, dass Mi­to­chon­dri­en mit ei­ner Bak­te­ri­en­grup­pe in Ver­bin­dung ste­hen, die als Al­pha­pro­te­ob­ak­te­ri­en be­kannt ist", sagt Jo­r­an Mar­ti­jn, Post­dok­to­rand an der Uni­ver­si­tät Upp­sa­la und Er­st­au­tor der Stu­die. "Von wel­chen al­pha­pro­te­ob­ak­te­ri­el­len Li­ni­en die Mi­to­chon­dri­en ge­nau ab­stam­men, ist je­doch noch un­klar - un­ter­schied­li­che Stu­di­en ha­ben auf völ­lig ver­schie­de­ne al­pha­pro­te­ob­ak­te­ri­el­le Grup­pen ver­wie­sen. Um die Her­kunft der Mi­to­chon­dri­en, und so­mit auch die der eu­ka­ryo­ti­schen Zel­len, zu ver­ste­hen, ist es aber wich­tig die Iden­ti­tät des mi­to­chon­dria­len Vor­fah­ren zu ken­nen."

Neue Hypothese über den Ursprung von Mitochondrien
Neue Hypothese über den Ursprung von Mitochondrien (Quelle: Joran Martijn, Uppsala University).
 

Ei­ni­ge Wis­sen­schaft­ler schlu­gen vor, dass sich Mi­to­chon­dri­en aus den Ri­ckett­sia­les ent­wi­ckel­ten, ei­ner pa­ra­si­tä­ren Grup­pe von Bak­te­ri­en, die wie Mi­to­chon­dri­en in eu­ka­ryo­ti­schen Zel­len le­ben und in der Re­gel voll­stän­dig ab­hän­gig sind von ih­rer Wirts­zel­le zum Über­le­ben. Ihr be­kann­tes­tes Mit­glied, Ri­ckett­sia pro­wa­ze­kii, ist ein be­rüch­tig­ter Krank­heits­er­re­ger, der Ty­phus ver­ur­sacht.


"Wir glau­ben, dass es zwei Haupt­grün­de für den feh­len­den Kon­sens über die Iden­ti­tät des mi­to­chon­dria­len Vor­fah­ren gibt", sagt Thi­js Et­te­ma, For­scher an der Ab­tei­lung für Zell- und Mo­le­ku­lar­bio­lo­gie der Uni­ver­si­tät Upp­sa­la und Lei­ter des Teams, das die Stu­die durch­führ­te. "Ers­tens ist es mög­lich, dass heu­ti­ge Ver­wand­te ein­fach noch nicht ge­fun­den wur­den - wenn sie über­haupt noch exis­tie­ren. Und zwei­tens ist die Re­kon­struk­ti­on der Ent­wick­lungs­ge­schich­te der Mi­to­chon­dri­en äu­ßerst schwie­rig und kann leicht zu sehr un­ter­schied­li­chen und da­mit wi­der­sprüch­li­chen Er­geb­nis­sen füh­ren."

Das Upp­sa­la-Team ver­such­te die­se Pro­ble­ma­tik durch ei­nen ori­gi­nel­len An­satz zu lö­sen. Mit­tels Ana­ly­se ei­ner gro­ßen Men­ge von DNA-Se­quenz­da­ten aus dem Pa­zi­fi­schen und dem At­lan­ti­schen Oze­an ge­lang es ih­nen meh­re­re bis­lang nicht cha­rak­te­ri­sier­te Grup­pen von Al­pha­pro­te­ob­ak­te­ri­en zu iden­ti­fi­zie­ren. Mit neu ent­wi­ckel­ten Me­tho­den ge­lang es dem Team dann, die Ge­no­me von über 40 Al­pha­pro­te­ob­ak­te­ri­en aus 12 ver­schie­de­nen Grup­pen zu re­kon­stru­ie­ren.

"Die neu­en Ge­no­me die­ser Al­pha­pro­te­ob­ak­te­ri­en ha­ben uns we­sent­lich da­bei ge­hol­fen, die Po­si­ti­on der Mi­to­chon­dri­en zu be­stim­men", sagt Mar­ti­jn. "Wir hoff­ten, dass wir durch die Ver­wen­dung ei­ner bes­se­ren Aus­wahl an Al­pha­pro­te­ob­ak­te­ri­en in un­se­ren Ana­ly­sen ei­ni­ge der Pro­ble­me über­win­den könn­ten, mit de­nen frü­he­re Stu­di­en zu kämp­fen hat­ten."

Un­er­war­te­ter­wei­se un­ter­stüt­zen ihre Ana­ly­sen eine neue Po­si­ti­on von Mi­to­chon­dri­en, die nun au­ßer­halb der Al­pha­pro­te­ob­ak­te­ri­en plat­ziert wur­den. Die­se Er­geb­nis­se zei­gen, dass Mi­to­chon­dri­en kei­ne ge­mein­sa­me Ab­stam­mung mit ei­ner der der­zeit an­er­kann­ten al­pha­pro­te­ob­ak­te­ri­el­len Grup­pen, ein­schließ­lich der Ri­ckett­sia­les, ha­ben. "Wir ver­mu­ten, dass die po­pu­lä­re Hy­po­the­se der Her­kunft der Mi­to­chon­dri­en aus den Ri­ckett­sia­les das Er­geb­nis ei­nes me­tho­do­lo­gi­schen Ar­te­fakts ist", er­klärt Mar­ti­jn. "Mi­to­chon­dri­en und Ri­ckett­sia­les ha­ben sich un­ter sehr ähn­li­chen Be­din­gun­gen ent­wi­ckelt, wel­che zu sehr ähn­li­chen, aber un­ab­hän­gi­gen Ar­ten von Se­quenz­mus­tern ge­führt ha­ben kön­nen. Dies wie­der­um könn­te frü­he­re Ver­su­che den evo­lu­tio­nä­ren Ur­sprung von Mi­to­chon­dri­en zu be­stim­men er­schwert ha­ben."

Die Stu­die konn­te kei­ne heu­ti­gen Ver­wand­ten des mi­to­chon­dria­len Vor­fah­ren iden­ti­fi­zie­ren. "Das war na­tür­lich ent­täu­schend", sagt Et­te­ma. "Aber viel­leicht ha­ben wir an der fal­schen Stel­le ge­sucht.“ „In die­ser Stu­die kon­zen­trier­ten wir uns auf ozea­ni­sche Ge­wäs­ser, da die­se eine Viel­zahl von bis­her nicht cha­rak­te­ri­sier­ten Al­pha­pro­te­ob­ak­te­ri­en ent­hal­ten",fügt Mit­au­tor Pier­re Off­re vom Bre­mer Max-Planck-In­sti­tut für Ma­ri­ne Mi­kro­bio­lo­gie hin­zu. Et­te­ma und sein Team wer­den ihre Su­che nach den engs­ten Ver­wand­ten der Mi­to­chon­dri­en fort­set­zen. "Das ist der hei­li­ge Gral für uns", sagt er, "wenn die­se Ab­stam­mungs­li­nie noch exis­tiert, bin ich über­zeugt, dass sie ir­gend­wann ge­fun­den wird."

 

Ori­gi­nal­ver­öf­fent­li­chung:

Mar­ti­jn, J., Vos­se­berg, J., Guy, L., Off­re, P. & Et­te­ma, T.J.G. (2018) Deep mi­to­chon­dri­al ori­gin outs­ide the sam­p­led al­pha­pro­te­ob­ac­te­ria. Nature, DOI: 10.1038/s41586-018-0059-5

 

Rück­fra­gen bit­te an:

Thi­js Et­te­ma

Upp­sa­la Uni­ver­si­ty, Bio­me­di­cal Cen­ter
751 24 Upp­sa­la, Swe­den

E-Mail: thijs.ettema@icm.uu.se
Tel. +46 (0) 70 5384219
www.ettemalab.org

@et­te­ma_lab

Pressereferentin

Dr. Fanni Aspetsberger

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