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Kleine "Schneeflocken" im Meer haben eine große Wirkung

28.05.2021

In den produktiven Zonen des Meeres gibt es einen ständigen Niederschlag an organischem Material, dem sogenannten ‚Marine Snow‘. Dieser marine Schnee verhält sich wie richtiger Schnee: Große Flocken sind seltener und fallen schnell, kleine Flöckchen kommen sehr oft vor und rieseln langsam. Forschende aus Bremen und Kiel haben jetzt herausgefunden, dass es diese beiden Eigenschaften sind, die kleinen Partikeln eine große Bedeutung für die Regulierung des Nährstoffhaushaltes der Meere verleihen. Die Erkenntnisse wurden im wissenschaftlichen Magazin Nature Communications veröffentlicht und sind wesentlich für die Weiterentwicklung biogeochemischer Modelle, die den marinen Stickstoffkreislauf darstellen.

Ein Team aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie, des Max-Planck-Instituts für Meteorologie und des GEOMAR – Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel hat die Sauerstoff-Minimumzone im östlichen Südpazifik vor Peru, eine der größten Sauerstoff-Minimumzonen der Welt, genauer unter die Lupe genommen. Sie untersuchten verschieden große Partikelteilchen, die sich aus Algenresten und anderen organischen Materialien zusammensetzen, um zu verstehen, wie die Partikel den Stickstoffkreislauf in der Sauerstoff-Minimumzone beeinflussen. Dabei haben sie ein lang bestehendes Rätsel gelöst: wie die in den Partikeln gebundenen Nährstoffe zu den frei in der Wassersäule schwebenden Anammox-Bakterien gelangen.

Zuviel des Guten ist schlecht

Zunächst einmal: Sauerstoff-Minimumzonen sind Bereiche im Meer, in denen kein oder nur ganz wenig Sauerstoff vorhanden ist. Da die meisten Tiere Sauerstoff zum Atmen benötigen und deshalb in diesen Bereichen nicht leben können, werden sie auch Todeszonen im Meer genannt. Sie sind an sich ein natürliches Phänomen, können aber durch menschlichen Einfluss verstärkt werden. In vielen Teilen der Meere und Ozeane konnte dies nachgewiesen werden. Eine Ursache dafür ist die Erwärmung der Ozeane, da warmes Wasser weniger Sauerstoff speichern kann. Zusätzlich vermischt sich wärmeres Oberflächenwasser weniger mit darunter liegendem kühlerem Wasser, so dass weniger Sauerstoff durch Strömungen nachgeliefert wird.

Weltkarte mit einer Übersicht der Sauerstoff-Minimumzonen. Vor Mittel- und Südamerika sind sie am größten. Aber auch in der Ostsee kommen sie vor. Der rote Kasten markiert die Sauerstoffminimumzone vor Peru, in der die Proben für diese Studie genommen wurden.  (© Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie/S. Ahmerkamp)
Weltkarte mit einer Übersicht der Sauerstoff-Minimumzonen. Vor Mittel- und Südamerika sind sie am größten. Aber auch in der Ostsee kommen sie vor. Der rote Kasten markiert die Sauerstoffminimumzone vor Peru, in der die Proben für diese Studie genommen wurden. (© Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie/S. Ahmerkamp)
Clarissa Karthäuser im Labor. Auf dem Bildschirm ist ein angefärbtes und stark vergrößertes Partikelteilchen zu sehen. (©Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie/ C. Karthäuser)
Clarissa Karthäuser im Labor. Auf dem Bildschirm ist ein angefärbtes und stark vergrößertes Partikelteilchen zu sehen. (©Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie/ C. Karthäuser)

Eine weitere Ursache hängt mit dem Stickstoffkreislauf zusammen. Stickstoff ist ein lebenswichtiger Nährstoff, ohne den Tiere und Pflanzen nicht wachsen können. Im Meer ist Stickstoff in einer Form, die Organismen aufnehmen und verarbeiten können, eigentlich Mangelware. Durch den Menschen werden die Meere aber mit den Stickstoffverbindungen Ammonium und Nitrat gedüngt. Unter anderem über die Flüsse und Atmosphäre gelangen diese Nährstoffe ins Meer. Die Mangelware gibt es plötzlich im Überschuss. Ammonium und Nitrat sorgen für ein starkes Wachstum von pflanzlichem Plankton. Sterben die Planktonorganismen ab, werden sie von Bakterien zersetzt, die viel Sauerstoff verbrauchen, der darum nach und nach knapp wird. Sobald kein Sauerstoff mehr vorhanden ist, finden mikrobielle Prozesse statt, die Nitrat, Nitrit und Ammonium zu Luftstickstoff umwandeln, der dann als Gas den Ozean verlässt.

Den Verlust von Stickstoff im Fokus

Zusammen sind die anaeroben Stickstoffverlust-Prozesse Anammox und Denitrifizierung innerhalb und am Rande der Sauerstoff-Minimumzonen für bis zu 40 Prozent des globalen Stickstoffverlustes im Meer verantwortlich. Durch welche Faktoren die zwei Prozesse reguliert werden, ist noch relativ unerforscht. Im Mittelpunkt dieser Studie steht der Anammox-Prozess, also die anaerobe Ammoniumoxidation mit Nitrit. Während dieses Prozesses wird dem Ozean in Nährstoffen gebundener Stickstoff entzogen. Die Forschenden gingen in ihrem Projekt der Beobachtung nach, dass der Anammoxprozess vor allem dort besonders hoch ist, wo viel organisches Material in Form von Partikeln – dem Meeresschnee – vorhanden ist. Die These lautete, dass das organische Material, das viel gebundenen Stickstoff enthält, als Quelle für Ammonium für die Anammox-Reaktion dient. Gegen diese These sprach allerdings, dass auf den kleinen organischen Partikeln, die nach Algenblüten in Richtung Tiefsee sinken, keine Anammox-Bakterien zu entdecken waren. Wie also finden die Bakterien in der Wassersäule ihre Nährstoffquelle?

Mit Unterwasserkameras kamen die Forschenden des Rätsels Lösung auf die Spur. Sie nahmen in der Sauerstoff-Minimumzone vor Peru an verschiedenen Stationen Tiefenprofile auf, um zu sehen, wie viele Partikel es jeweils gab. „Wir haben beobachtet, dass der Anammoxprozess vor allem da stattfindet, wo viele kleine Partikel vorhanden sind“, sagt Clarissa Karthäuser, die zusammen mit Soeren Ahmerkamp Erstautorin des Papers ist. „Für den Anammox-Prozess sind also kleine Partikel wichtiger als große – wobei klein heißt, dass sie etwa die Größe einer Haaresbreite haben und noch gerade so sichtbar sind.“

Diese kleinen Partikel kommen in der Wassersäule sehr oft vor, sinken nur langsam und haben dadurch lange Aufenthaltszeiten. Gleichzeitig ist das organische Material bei ihnen enger verklebt. Dadurch transportieren sie ähnlich viel Material pro Partikel wie die größeren Resteklumpen, summiert also auch deutlich mehr gebundenen Stickstoff. „Wir haben festgestellt, dass die Ammonium-Konzentration in der Grenzschicht, das heißt, um das Partikel herum, deutlich erhöht ist“, sagt Soeren Ahmerkamp. „So ist es erstens durch die hohe Anzahl und langen Aufenthaltszeiten von kleinen Partikeln in der Wassersäule sehr wahrscheinlich, dass Bakterien zufällig auf sie treffen. Zweitens werden durch die hohe Ammoniumkonzentration in der Grenzschicht schnell viele Bakterien versorgt.“

Wichtige Daten für Erdsystemmodelle

Auf diese neuen Erkenntnisse kann nun sehr gut aufgebaut werden. „Mit der Studie haben wir einen wichtigen Aspekt des Anammox-Prozesses geklärt und damit wesentlich zu einem besseren Verständnis des Nährstoffhaushaltes der Meere beigetragen“, sagt Marcel Kuypers, Leiter der Abteilung Biogeochemie am Max-Planck-Institut in Bremen und verantwortlich für die Studie. „Mit diesen Daten können wir nun biogeochemische Erdsystemmodelle erweitern, um die Auswirkungen des vom Menschen beeinflussten Sauerstoffmangels und des erhöhten Nährstoffeintrags auf den Stickstoffkreislauf besser einzuschät­zen.“

Probenahme vor Peru. Dieses Gerät ist ein Schneefänger (Marine Snow Catcher). Clarissa Karthäuser setzt ihn hier auf dem Forschungsschiff Meteor ein, um einzelne Partikel zu beproben und detaillierte Eigenschaften der Partikel zu bestimmen. (© GEOMAR/A. Paul)
Probenahme in der Sauerstoff-Minimumzone vor Peru. Dieses Gerät ist ein Schneefänger (Marine Snow Catcher). Clarissa Karthäuser setzt ihn hier auf dem Forschungsschiff Meteor ein, um einzelne Partikel zu beproben und detaillierte Eigenschaften der Partikel zu bestimmen. (© GEOMAR/A. Paul)
 
 

Originalveröffentlichung

Clarissa Karthäuser*, Soeren Ahmerkamp*, Hannah K Marchant, Laura A Bristow, Helena Hauss, Morten H Iversen, Rainer Kiko, Joeran Maerz, Gaute Lavik, Marcel MM Kuypers: Small sinking particles control anammox rates in the Peruvian oxygen minimum zone, Nature Communications, May 2021

DOI: 10.1038/s41467-021-23340-4

*beide Autor:innen haben gleichberechtigt beigetragen

 

Förderung

Die vorliegende Studie ist Teil des Sonderforschungsbereichs 754 „Klima – Biogeochemische Wechselwirkungen im tropischen Ozean“, der von 2008 bis 2019 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert wurde, und des Projekts „Multiscale Approach on the Role of Marine Aggregates (MARMA)“, das von der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) gefördert wurde.

 

Beteiligte Institutionen

  • Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, Bremen, Deutschland
  • Max-Planck-Institut für Meteorologie, Hamburg, Deutschland
  • GEOMAR – Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung, Kiel, Deutschland
  • MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen, Deutschland
  • Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, Bremerhaven, Deutschland

Video über den Sonderforschungsbereich "Klima – Biogeochemische Wechselwirkungen im tropischen Ozean", in dem die Entstehung und die Erforschung von Sauerstoff-Minimumzonen gezeigt wird.

Weitere Veröffentlichungen zum Thema

- Callbeck CM, Lavik G, Stramma L, Kuypers MMM, Bristow LA (2017): Enhanced Nitrogen Loss by Eddy-Induced Vertical Transport in the Offshore Peruvian Oxygen Minimum Zone. PLoS ONE 12(1): e0170059.

 
 
- Kalvelage T, Lavik G, Jensen MM, Revsbech NP, Löscher C, Schunck H, et al. (2015): Aerobic Microbial Respiration In Oceanic Oxygen Minimum Zones. PLoS ONE 10(7): e0133526.
 
 
 
- Kalvelage, T., G. Lavik, P. Lam, S. Con­tre­ras, L. Ar­tea­ga, C. R. Lö­scher, A. Oschlies, A. Paul­mier, L. Stram­ma and M. M. Kuypers (2013): Ni­tro­gen cy­cling dri­ven by or­ga­nic mat­ter ex­port in the South Pa­ci­fic oxy­gen mi­ni­mum zone, Na­tu­re Geo­sci­ence, 6, 228-234.
 
 

Rückfragen bitte an:

Clarissa Karthäuser

Forschungsgruppe Biogeochemie

Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie

E-Mail: [Bitte aktivieren Sie Javascript]

Wissenschaftler

Abteilung Biogeochemie

Dr. Soeren Ahmerkamp

MPI for Marine Microbiology
Celsiusstr. 1
D-28359 Bremen

Raum: 

3130

Telefon: 

+49 421 2028-6380

Dr. Soeren Ahmerkamp

scientist

Forschungsgruppe Biogeochemie

Dr. Hannah Marchant

MPI für Marine Mikrobiologie
Celsiusstr. 1
D-28359 Bremen

Raum: 

3135

Telefon: 

+49 421 2028-6306

Dr. Hannah Marchant
 
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