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Rätsel um Recycling-Truppe im Meer gelöst

07.02.2020

Der Stickstoffkreislauf im küstennahen Meer ist sehr wichtig für den Abbau von überschüssigen Nährstoffen, die aus den Flüssen ins Meer gespült werden. Trotzdem sind viele seiner Aspekte immer noch nicht ausreichend erforscht. Forschenden aus Bremen ist es nun gelungen, ein lange ungelöstes Rätsel in einem Schlüsselprozess des Stickstoffkreislaufs aufzuklären.

Die Proben des vorliegenden Papers stammen aus dem Golf von Mexiko. (© Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie/K. Kitzinger)
Die Proben des vorliegenden Papers stammen aus dem Golf von Mexiko. (© Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie/K. Kitzinger)

Einer fehlt – so lässt sich kurz das Mysterium beschreiben, das die Forschung lange beschäftigte. Konkret geht es dabei um die Nitrifikation, also die Umwandlung der Stickstoffverbindung Ammoniak erst in Nitrit und dann in Nitrat – ein wichtiger Teil des marinen Stickstoffkreislaufs. Im Meer sind diese zwei Prozesse ausgeglichen und der Großteil des verfügbaren Stickstoffs liegt als Nitrat, dem Endprodukt der Nitrifikation, vor. Wer den ersten Schritt dieser zweigeteilten Umwandlung im Meer ausführt, ist schon länger geklärt: Ammoniak oxidierende Archaea, die zu den häufigsten Organismen auf unserem Planeten zählen, verarbeiten das Ammonium zu Nitrit.

Den zweiten Part, die Verwandlung von Nitrit zu Nitrat, übernehmen Nitrit-oxidierende Bakterien, vor allem Nitrospinae. Da es von diesen Bakterien aber zehn Mal weniger gibt als von den Ammoniak-oxidierenden Archaea, vermuteten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, dass es noch andere, unbekannte, aber sehr häufige Nitrit-Oxidierer geben muss. 

Schneller wachsen, schneller sterben

Forschende des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie konnten dieses Mysterium zusammen mit Kolleginnen und Kollegen der Universität Wien sowie der University of Southern Denmark und des Georgia Institute of Technology jetzt lösen. „Wir zeigen mit unseren Daten, dass wir überraschenderweise vermutlich schon alle Mitspieler kennen“, sagt Katharina Kitzinger, Erstautorin der Veröffentlichung, die Anfang Februar im Fachmagazin Nature Communications erschienen ist.

Bisher wurde hauptsächlich die Anzahl der am Prozess beteiligten Mikroben erhoben. Die Forschenden um Katharina Kitzinger haben dagegen auch die Biomasse der Mikroorganismen sowie die Wachstumsraten und Aktivität einzelner Zellen untersucht. Die Erklärung dafür, weshalb die Ammoniak-oxidierenden Archaea zehn Mal häufiger vorkommen als die Nitrospinae, liegt ihren Daten zufolge nicht wie bisher angenommen in der unterschiedlichen Größe der Mikroorganismen oder des langsameren Wachstums von Nitrospinae.

Einzelzell-Aufnahmen von Ammoniak-oxidierenden Archaeen und Nitrit-oxidierenden Nitrospinae in der Umwelt: (links) zeigt die Häufigkeit Ammoniak-oxidierender Archaeen (grün) und andere Mikroorganismen (blau); (rechts) zeigt die Häufigkeit Nitrit-oxidierender Nitrospinae und andere Mikroorganismen. Die unterschiedliche Häufigkeit und Größe kann klar erkannt werden. (© Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie/K. Kitzinger)
Einzelzell-Aufnahmen von Ammoniak-oxidierenden Archaeen und Nitrit-oxidierenden Nitrospinae in der Umwelt: (links) zeigt die Häufigkeit Ammoniak-oxidierender Archaeen (grün) und andere Mikroorganismen (blau); (rechts) zeigt die Häufigkeit Nitrit-oxidierender Nitrospinae und andere Mikroorganismen. Die unterschiedliche Häufigkeit und Größe kann klar erkannt werden. (© Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie/K. Kitzinger)

„Im Gegenteil, unsere Ergebnisse zeigen, dass die Nitrospinae deutlich aktiver sind und sehr viel schneller wachsen als die Ammoniak-oxidierenden Archaea. Nitrospinae sind somit deutlich effizienter als die Archaea“, erläutert Kitzinger. Und fügt an: „An sich würde man daher erwarten, dass die Nitrospinae auch deutlich häufiger sind – dass dem nicht so ist, muss an ihrer sehr hohen Sterberate liegen. Damit lässt sich der ausgeglichene marine Nitrifikationsprozess erklären. Die Existenz weiterer, unbekannter Nitrit-Oxidierer in der Wassersäule des Ozeans, die zahlenmäßig bedeutsam sind, ist somit sehr unwahrscheinlich.“

Stickstoff und Futter für Freunde

Gleichzeitig untersuchten die Forschenden, welche Stickstoffverbindungen die Partner Ammoniak-oxidierende Archaea und Nitrospinae für ihr Zellwachstum nutzen. „Während die Archaea fast ausschließlich Ammonium verwenden, nutzen Nitrospinae vor allem organischen Stickstoff, und zwar Harnstoff und Cyanat“, sagt Kitzinger. „So konkurrieren die beiden Mikroorganismen nicht um dieselbe Stickstoffquelle.“ Vielmehr helfen sie sich gegenseitig: Die Nitrospinae spucken vermutlich nach der Aufnahme des organischen Stickstoffs wieder etwas Ammonium aus und stellen so wiederum die Energiequelle für ihre Freunde, die Archaea, zur Verfügung. Eine symbiotische Win-Win-Situation.  

Die Daten stammen aus dem Golf von Mexiko, wo der Prozess der Nitrifikation durch den hohen Nährstoffeintrag aus Flüssen, wie dem Mississippi, sehr wichtig ist. „Die Zusammensetzung der am Prozess beteiligten Mikroorganismen ist aber weltweit sehr ähnlich“, sagt Kitzinger. „Darum ist es sehr wahrscheinlich, dass unsere Erkenntnisse auf andere Meeresregionen übertragen werden können.“

 

Originalveröffentlichung

Katharina Kitzinger, Hannah K. Marchant, Laura A. Bristow, Craig W. Herbold, Cory C. Padilla, Abiel T. Kidane, Sten Littmann, Holger Daims, Petra Pjevac, Frank J. Stewart, Michael Wagner, Marcel M. M. Kuypers: Single cell analyses reveal contrasting life strategies of the two main nitrifiers in the ocean. Nature Communications, Februar 2020

DOI: 10.1038/s41467-020-14542-3

Beteiligte Institutionen

  • Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, Bremen, Deutschland
  • Universität Wien, Zentrum für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaft, Division Mikrobielle Ökologie, Althanstraße 14, 1090 Wien, Österreich
  • Department of Biology, University of Southern Denmark, Campusvej 55, 5230 Odense, Denmark
  • School of Biological Sciences, Georgia Institute of Technology, 311 Ferst Drive, Atlanta GA 30332-0230, USA

Rückfragen bitte an:

scientist

Forschungsgruppe Biogeochemie

Dr. Hannah Marchant

MPI für Marine Mikrobiologie
Celsiusstr. 1
D-28359 Bremen

Raum: 

3135

Telefon: 

+49 421 2028-6306

Dr. Hannah Marchant
 
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