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Si­mu­lier­ter Man­gank­nol­len-Ab­bau be­ein­träch­tigt die Öko­sys­tem­funk­ti­on von Tief­see­bö­den

29.04.2020
Mit dem Tief­see­berg­bau ein­her­ge­hen­de Stö­run­gen be­ein­träch­ti­gen die na­tür­li­chen Öko­sys­tem­funk­tio­nen und Mi­kro­ben­ge­mein­schaf­ten im Mee­res­bo­den lang­fris­tig.

Tiefseebergbau könnte eine Möglichkeit bieten, dem zunehmenden Bedarf an seltenen Metallen zu begegnen. Seine Umweltauswirkungen sind bisher jedoch nur zum Teil bekannt. Zudem fehlen klare Standards, die den Abbau regulieren und verbindliche Grenzwerte für die Auswirkungen auf die dort lebenden Organismen festlegen. Forschende des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie beschreiben nun zusammen mit Kollegen am Alfred-Wegener-Institut, am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und weiteren Instituten, dass mit dem Tiefseebergbau einhergehende Störungen auch die natürlichen Ökosystemfunktionen und Mikrobengemeinschaften im Meeresboden langfristig beeinträchtigen. Ihre Ergebnisse präsentieren sie im Fachmagazin Science Advances.

Probennahme an einer 6 Jahre alten Pflugspur (Quelle: ROV-Team/GEOMAR)
Probennahme an einer 6 Jahre alten Pflugspur (Quelle: ROV-Team/GEOMAR)

Me­tall­hal­ti­ge Knol­len und Krus­ten be­de­cken vie­le Tau­send Qua­drat­ki­lo­me­ter des welt­wei­ten Tief­see­bo­dens. Sie ent­hal­ten vor al­lem Man­gan und Ei­sen, aber auch die wert­vol­len Me­tal­le Ni­ckel, Ko­balt und Kup­fer so­wie ei­ni­ge der High-Tech-Me­tal­le der sel­te­nen Er­den. Da sich die­se Res­sour­cen an Land in Zu­kunft ver­knap­pen könn­ten – etwa durch künf­ti­ge Be­dar­fe für Bat­te­ri­en, Elek­tro­mo­bi­li­tät und di­gi­ta­le Tech­no­lo­gi­en – sind die La­ger­stät­ten im Meer wirt­schaft­lich sehr in­ter­es­sant. Noch gibt es kei­ne markt­rei­fe Tech­no­lo­gie für den Tief­see­berg­bau. Doch schon jetzt ist klar: Ein­grif­fe in den Mee­res­bo­den be­ein­träch­ti­gen die be­trof­fe­nen Ge­bie­te mas­siv und nach­hal­tig. Stu­di­en ha­ben ge­zeigt, dass vie­le sess­haf­te Be­woh­ner der Mee­res­bo­den-Ober­flä­che auf die Knol­len als Sub­strat an­ge­wie­sen sind und noch Jahr­zehn­te nach ei­ner Stö­rung im Öko­sys­tem feh­len. Auch Aus­wir­kun­gen auf Tie­re, die in den Mee­res­bö­den le­ben, wur­den nach­ge­wie­sen. Im Rah­men des BMBF-ge­för­der­ten Pro­jekts "Mi­nin­gIm­pact" nahm das Bre­mer Max-Planck-In­sti­tut (MPIMM) jetzt die kleins­ten Mee­res­bo­den­be­woh­ner und ihre Leis­tun­gen un­ter die Lupe.

Ungestörter Meeresboden mit der für das DISCOL-Gebiet typischen, geringen Manganknollendichte (Quelle: ROV-Team/GEOMAR)
Ungestörter Meeresboden mit der für das DISCOL-Gebiet typischen, geringen Manganknollendichte (Quelle: ROV-Team/GEOMAR)
Die Pflugspuren, in denen die Manganknollen untergepflügt und die Sedimente gestört wurden, sind auch nach 26 Jahren noch deutlich sichtbar (Quelle: ROV-Team/GEOMAR)
Die Pflugspuren, in denen die Manganknollen untergepflügt und die Sedimente gestört wurden, sind auch nach 26 Jahren noch deutlich sichtbar (Quelle: ROV-Team/GEOMAR)
Respirationsmessungen direkt neben einer Pflugspur als Maß für die Aktivität der Mikroben im Meeresboden im DISCOL-Gebiet während der Expedition SO242. (Quelle: ROV-Team/GEOMAR)
Respirationsmessungen direkt neben einer Pflugspur als Maß für die Aktivität der Mikroben im Meeresboden im DISCOL-Gebiet während der Expedition SO242. (Quelle: ROV-Team/GEOMAR)
A brisingiid starfish utilises a stalk attached to a nodule to obtain a higher filtering height in the water column. (Source: OFOS-Team/AWI)
A brisingiid starfish utilises a stalk attached to a nodule to obtain a higher filtering height in the water column. (Source: OFOS-Team/AWI)

Wie steht es um die kleins­ten Be­woh­ner des Mee­res­bo­dens?

Die nun vor­lie­gen­de Stu­die zeigt, dass auch die Mi­kro­or­ga­nis­men im Mee­res­bo­den mas­siv vom Tief­see­berg­bau be­trof­fen wä­ren. Das Team um Antje Boetius, Di­rek­to­rin am Al­fred-We­ge­ner-In­sti­tut Helm­holtz-Zen­trum für Po­lar- und Mee­res­for­schung (AWI) und Lei­te­rin ei­ner gemeinsamen Forschungsgruppe am MPIMM und AWI, un­ter­such­te den Zu­stand des Mee­res­bo­dens eben­so wie die Ak­ti­vi­tät der Mi­kro­or­ga­nis­men im so­ge­nann­ten DIS­COL-Ge­biet im tro­pi­schen Ost­pa­zi­fik, etwa 3000 Ki­lo­me­ter vor der Küs­te Pe­rus. Dort hat­ten im Jahr 1989 deut­sche For­scher in ei­nem Man­gank­nol­len­ge­biet in 4000 Me­tern Was­ser­tie­fe den Mee­res­bo­den auf ei­ner Flä­che mit ei­nem Durch­mes­ser von gut drei­ein­halb Ki­lo­me­tern mit ei­ner Egge um­ge­pflügt, um ei­nen Ab­bau zu si­mu­lie­ren.

„Auch 26 Jah­re nach die­ser Stö­rung konn­ten wir die Pflugspu­ren auf dem Mee­res­bo­den klar er­ken­nen“, be­rich­tet Er­st­au­tor To­bi­as Von­nah­me, der an den Un­ter­su­chun­gen im Rah­men sei­ner Di­plom­ar­beit teil­nahm. „Und auch die bak­te­ri­el­len Be­woh­ner wa­ren deut­lich be­ein­träch­tigt.“ Im Ver­gleich zu un­ge­stör­ten Re­gio­nen des Mee­res­bo­dens leb­ten in den al­ten Spu­ren nur etwa zwei Drit­tel der Bak­te­ri­en, in fri­sche­ren Pflugspu­ren so­gar nur die Hälf­te. Ver­gli­chen mit un­ge­stör­ten Flä­chen wa­ren die Ra­ten ver­schie­de­ner mi­kro­bi­el­ler Pro­zes­se auch nach ei­nem Vier­tel­jahr­hun­dert um drei Vier­tel ver­rin­gert. „Un­se­re Be­rech­nun­gen ha­ben er­ge­ben, dass die Mi­kro­ben frü­hes­tens nach 50 Jah­ren wie­der ihre üb­li­che Funk­ti­on voll aus­üben kön­nen“, so Von­nah­me.

Zu­ge­staubt und durch­ein­an­der

So tief un­ten, fern­ab von den star­ken Strö­mun­gen an der Mee­res­ober­flä­che, ist es gar nicht so über­ra­schend, dass selbst klein­räu­mi­ge Spu­ren des DIS­COL-Ex­pe­ri­ments noch zu er­ken­nen wa­ren. „Aber auch die bio­geo­che­mi­schen Be­din­gun­gen hat­ten sich nach­hal­tig ver­än­dert“, be­tont Ant­je Boe­ti­us. Das liegt nach An­sicht der For­scher vor al­lem dar­an, dass die obers­te, ak­ti­ve Se­di­ment­schicht durch den Pflug zer­stört, un­ter­ge­pflügt, oder auf­ge­wir­belt und von den Strö­mun­gen da­von­ge­tra­gen wird. In den so ge­stör­ten Ge­bie­ten kön­nen die mi­kro­bi­el­len Be­woh­ner das „her­ab­reg­nen­de“ or­ga­ni­sche Ma­te­ri­al nur noch ein­ge­schränkt ver­wer­ten. Da­mit bü­ßen sie eine ih­rer Schlüs­sel­funk­tio­nen für das Öko­sys­tem ein. Ge­mein­schaf­ten von Mi­kro­ben und ihre Funk­tio­nen könn­ten sich so­mit als frü­he An­zei­ger für Schä­di­gun­gen von Tief­see-Öko­sys­te­men durch den Knol­len­ab­bau eig­nen – und für den Grad ih­rer mög­li­chen Er­ho­lung.

Stö­rung in ei­ner an­de­ren Di­men­si­on

Alle Ab­bau­tech­no­lo­gi­en für Man­gank­nol­len, die ak­tu­ell ent­wi­ckelt wer­den, wer­den zu ei­ner mas­si­ven Stö­rung des Mee­res­bo­dens bis in eine Tie­fe von min­des­tens zehn Zen­ti­me­tern füh­ren. Das ist ver­gleich­bar mit der hier si­mu­lier­ten Stö­rung, al­ler­dings in ganz an­de­ren Di­men­sio­nen. Ein kom­mer­zi­el­ler Tief­see­berg­bau wür­de Hun­der­te bis Tau­sen­de Qua­drat­ki­lo­me­ter Mee­res­bo­den pro Jahr be­tref­fen, wäh­rend die Ge­samt­flä­che der Pflugspu­ren im DIS­COL-Ge­biet nur we­ni­ge Qua­drat­ki­lo­me­ter um­fass­te. Ent­spre­chend grö­ßer sei­en da­her auch die zu er­war­ten­den Schä­den, und ent­spre­chend schwie­ri­ger wäre es für das Öko­sys­tem, sich zu er­ho­len, be­to­nen die For­scher.

„Bis­her ha­ben sich nur we­ni­ge Stu­di­en mit den Stö­run­gen der bio­geo­che­mi­schen Funk­ti­on von Tief­see­bö­den durch Berg­bau be­schäf­tigt“, er­klärt Boe­ti­us. „Mit der vor­lie­gen­den Stu­die leis­ten wir ei­nen Bei­trag zur Ent­wick­lung von Um­welt­stan­dards für den Tief­see­berg­bau und zei­gen die Gren­zen auf, die der Er­ho­lung des Mee­res­bo­dens ge­setzt sind. Öko­lo­gisch nach­hal­ti­ge Tech­no­lo­gi­en soll­ten un­be­dingt ver­mei­den, die dicht be­leb­te und bio­ak­ti­ve Ober­flä­chen­schicht des Mee­res­bo­dens zu ent­fer­nen.“

 

Ori­gi­nal­ver­öf­fent­li­chung

Be­tei­lig­te In­sti­tu­tio­nen

  • Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, Bremen
  • Alfred-Wegener-Institut Helmholtz Zentrum für Polar- und Meeresforschung, Bremerhaven
  • MARUM, Zentrum für marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen
  • GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel
  • Senckenberg am Meer, Marine Research Department, Wilhelmshaven

Rück­fra­gen bit­te an:

Gruppenleiterin

HGF MPG Brückengruppe für Tiefsee-Ökologie und -Technologie

Prof. Dr. Antje Boetius

MPI für Marine Mikrobiologie
Celsiusstr. 1
D-28359 Bremen

Raum: 

1337

Telefon: 

+49 421 2028-8600

Prof. Dr. Antje Boetius

Pressereferentin

Dr. Fanni Aspetsberger

MPI für Marine Mikrobiologie
Celsiusstr. 1
D-28359 Bremen

Raum: 

1345

Telefon: 

+49 421 2028-9470

Dr. Fanni Aspetsberger

To­bi­as Von­nah­me

Ak­tu­el­le Adres­se:

UiT, the Arc­tic Uni­ver­si­ty of Nor­way, Trom­sö, Nor­we­gen

E-Mail: tobias.vonnahme@uit.no

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