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Viel­falt von Le­bens­räu­men an na­tür­li­chen Ölaus­trit­ten

23.08.2016

Im südlichen Golf von Mexiko erkundet ein Forscherteam die vermeintlich unwirtliche Umgebung am Meeresboden - und findet sie erstaunlich vielfältig und facettenreich.

 

Erstellt auf Basis einer Pressemeldung des marum.

Facettenreich und vielfältig sind die Lebensräume, die sich um natürliche Öl-Austrittsstellen am Meeresboden herum etabliert haben. Dicht nebeneinander liegen in etwa drei Kilometern Wassertiefe sprudelnde Gasblasenaustritte, massive Gashydrate, ölgetränkte Sedimente und Ablagerungen von schwerem Öl. Die verschiedenen Bestandteile dieses Lebensraumes - Gas, leichteres Öl und zu Asphalt erstarrtes, schwereres Öl - beheimaten jeweils charakteristische Gruppen von Organismen. Erste Ergebnisse veröffentlicht ein internationales Team von Wissenschaftlern unter Beteiligung des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie (MPI Bremen) zusammen mit Aufnahmen des Tauchroboters MARUM-QUEST jetzt in der Zeitschrift Biogeosciences.

 
„In den ver­gan­ge­nen Jah­ren hat es eine klei­ne tech­ni­sche Re­vo­lu­ti­on im Be­reich der Mee­res­for­schung ge­ge­ben“, er­klärt Er­st­au­tor Hei­ko Sah­ling vom MA­RUM, Zen­trum für Ma­ri­ne Um­welt­wis­sen­schaf­ten, und dem Fach­be­reich Geo­wis­sen­schaf­ten der Uni­ver­si­tät Bre­men. Vie­le deut­sche For­schungs­schif­fe sind mitt­ler­wei­le mit neu­es­ten Fä­cher­lo­ten (eine Form des Echo­lots) aus­ge­stat­tet. Die­se er­mög­li­chen es den Wis­sen­schaft­lern, sys­te­ma­tisch na­tür­li­che Aus­trit­te von Öl und Gas am Mee­res­bo­den zu fin­den. „Frü­her glich das eher der Su­che nach der sprich­wört­li­chen Na­del im Heu­hau­fen“, sagt Sah­ling. „Nun ha­ben wir Le­bens­räu­me am Mee­res­bo­den ge­fun­den, die wir so noch nicht kann­ten.“
 
MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften
Asphaltstrukturen am Mictlan Knoll in 3100 Meter Tiefe, aufgenommen mit dem Tiefseerobotoer MARUM-QUEST.

Fä­cher­lo­te kön­nen mit ih­ren Schall­si­gna­len gan­ze Strei­fen der Was­ser­säu­le oder des Mee­res­bo­dens scan­nen. Da­durch konn­ten Sah­ling und sei­ne Kol­le­gen Gas­bla­sen im Was­ser auf­spü­ren. Tre­ten Koh­len­was­ser­stof­fe aus, ver­stärkt das das Schall­si­gnal im Was­ser und zum Teil auch des Mee­res­bo­dens. Die ak­tu­el­le Ex­pe­di­ti­on führ­te das Team aus Bre­men, Kiel, Wien (Öster­reich), Me­xi­ko City (Me­xi­ko) und Tal­la­has­see (USA) in die Bucht von Cam­pe­che im süd­li­chen Golf von Me­xi­ko. Im Rah­men ei­nes von der Deut­schen For­schungs­ge­mein­schaft (DFG) fi­nan­zier­ten Pro­jekts ha­ben die Wis­sen­schaft­le­rin­nen und Wis­sen­schaft­ler hun­der­te von Gas­aus­trit­ten ent­deckt und ei­ni­ge da­von mit dem Tauch­ro­bo­ter MA­RUM-QUEST un­ter­sucht. Ziel war es, dem Weg der Koh­len­was­ser­stof­fe an na­tür­li­chen Aus­trit­ten auf die Spur zu kom­men.

 

 

In wel­cher Form tre­ten sie am Mee­res­bo­den aus? Wel­che Rol­le spie­len sie für die Le­be­we­sen vor Ort? Wie schnell wird das Öl ab­ge­baut? Wo bleibt das aus­tre­ten­de Gas?

„Das Gas wan­delt sich zum Teil in Gas­hy­drat (eine eis­ar­ti­ge Ver­bin­dung von Gas und Was­ser) um, das klei­ne Hü­gel am Mee­res­bo­den bil­det. Die­se sind dicht mit me­ter­gro­ßen Bart­wür­mern be­sie­delt“, er­zählt Sah­ling. „Zu­wei­len sind die Hü­gel auf­ge­bro­chen und er­lau­ben ei­nen Blick in ei­ni­ge Me­ter mäch­ti­ge Gas­hy­dra­te, wie sie bis­her nur sel­ten be­ob­ach­tet wur­den. Die Gas­hy­dra­te wer­den über­la­gert von ei­ner Re­ak­ti­ons­zo­ne, in der Mi­kro­or­ga­nis­men Me­than um­set­zen, Kar­bo­nat aus­ge­fällt wird und die Bart­wür­mer wur­zeln. Da­durch hal­ten sie die Hü­gel zu­sam­men und neh­men re­du­zier­te Schwe­fel­ver­bin­dun­gen auf, von de­nen sie sich er­näh­ren. Es ist schon ein ei­gen­ar­ti­ger Le­bens­raum“, fin­det Sah­ling.

Ne­ben dem Gas tritt auch flüs­si­ges Öl aus. Es steigt lang­sam durch klei­ne wei­ße Schlo­te auf, die Öltrop­fen zie­hen Fä­den oder si­ckern durch die Se­di­men­te. „Das Öl ist für die nicht dar­an an­ge­pass­ten Or­ga­nis­men schäd­lich“, er­klärt Sah­ling. „Aber das rei­che Le­ben an die­sen Stel­len zeigt, dass man­che Or­ga­nis­men auch von die­sen Koh­len­was­ser­stof­fen le­ben kön­nen.“

Die Grund­la­ge da­für bil­den Mi­kro­or­ga­nis­men, die die ver­schie­de­nen Be­stand­tei­le des Öls ab­bau­en kön­nen. Sie sind die For­schungs­ob­jek­te von Sah­lings Kol­le­gen am MPI Bre­men. Vie­le die­ser Mi­kro­or­ga­nis­men le­ben an­ae­rob, also ohne Sau­er­stoff, in den öl­hal­ti­gen Se­di­men­ten. Gun­ter We­ge­ner vom MPI Bre­men vom un­ter­sucht zur Zeit, wel­che Mi­kro­or­ga­nis­men den Asphalt und des­sen ein­zel­ne Be­stand­tei­le tat­säch­lich nut­zen. „Das Span­nen­de ist", sagt We­ge­ner, „dass ganz ver­schie­den­ar­ti­ge Mi­kro­or­ga­nis­men – näm­lich Bak­te­ri­en und so ge­nann­te Ar­chea­en – sich zu­sam­men­tun, um die schwer ver­wert­ba­ren Koh­len­was­ser­stof­fe zu kna­cken. Wir nen­nen die­ses Vor­ge­hen im Ver­bund eine Syn­tro­phie“. An­de­re koh­len­was­ser­stoff­abbau­en­de Bak­te­ri­en brau­chen un­be­dingt Sau­er­stoff. Das führt zu ganz an­de­ren Part­ner­schaf­ten: Sie le­ben in Sym­bio­se mit wir­bel­lo­sen Tie­ren. „Wir fin­den die­se bak­te­ri­el­len Un­ter­mie­ter in Mu­scheln und ver­schie­de­nen Schwäm­men, die auf den öli­gen Krus­ten und Gas­hy­drat­blö­cken sie­deln“, sagt Chris­ti­an Bo­row­ski, eben­falls For­scher am MPI Bre­men. „Be­mer­kens­wert ist, das die­se Sym­bi­on­ten nahe ver­wandt sind mit je­nen Bak­te­ri­en sind, die nach dem Deep-Wa­ter-Ho­ri­zon-Ölun­fall im Golf von Me­xi­ko eine wich­ti­ge Rol­le beim Ab­bau von Koh­len­was­ser­stof­fen ge­spielt ha­ben.“ Zur­zeit wird am MPI Bre­men un­ter­sucht, wel­che Stoff­wech­sel­we­ge die­se sym­bi­on­ti­schen Bak­te­ri­en ver­fol­gen, und wel­che Rol­le sie in der Sym­bio­se mit dem Wirt spie­len.

Wäh­rend die­se bak­te­ri­el­len Pro­zes­se un­se­rem blo­ßen Auge ver­bor­gen blei­ben, bie­ten die Ölaus­trit­te oft auch ei­nen im­po­san­ten An­blick. Leicht flüch­ti­ge Be­stand­tei­le des zäh­flüs­sig aus­tre­ten­den Öls ver­flüch­ti­gen sich. Was üb­rig­bleibt, formt Fließ­struk­tu­ren aus Asphalt am Mee­res­bo­den. „Wäh­rend der Ex­pe­di­ti­on ha­ben wir vie­le von die­sen ein­ma­li­gen Struk­tu­ren do­ku­men­tiert“, sagt Hei­ko Sah­ling. „Der Asphalt be­deckt da­bei hun­der­te von Me­tern des Mee­res­bo­dens und bil­det wie­der ei­nen Le­bens­raum.“ – hier sie­deln zum Bei­spiel Bart­wür­mer und Bak­tie­ren­mat­ten.“

 


Originalveröffentlichung: 
Hei­ko Sah­ling, Chris­ti­an Bo­row­ski, Elva Es­co­bar-Brio­nes, Adria­na Gay­tán-Ca­bal­le­ro, Chieh-Wei Hsu, Mar­kus Lo­her, Ian Mac­Do­nald, Yann Mar­con, Tho­mas Pape, Mi­ri­am Rö­mer, Ma­xim Ru­bin-Blum, Flo­rence Schu­botz, Da­ni­el Sm­rz­ka, Gun­ter We­ge­ner and Ger­hard Bohr­mann: Mas­si­ve asphalt de­po­sits, oil see­page, and gas ven­ting sup­port ab­un­dant che­mo­syn­the­tic com­mu­nities at the Cam­pe­che Knolls, sou­thern Gulf of Me­xi­co. Ver­öf­fent­licht in: Bio­geo­sci­ence
DOI: 10.5194/bg-13-4491-2016

 



Kontakt:
Hei­ko Sah­ling
0421 218 65054
hsah­ling@ma­rum.de

Chris­ti­an Bo­row­ski
0421 2028 649
cbo­rowsk@mpi-bre­men.de


oder die Pressestelle:
Fan­ni As­pets­ber­ger
Man­fred Schlös­ser
0421 2028 947 or 704
pres­se@mpi-bre­men.de

 
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