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Vom Ölfeld ins La­bor: Wie eine be­son­de­re Mi­kro­be Erd­öl in Gase zer­legt

22.12.2021

Mikroorganismen können Öl in Erdgas, also Methan, umwandeln. Lange war man der Meinung, dass diese Umwandlung nur durch die Zusammenarbeit von verschiedenen Organismen möglich ist. Im Jahr 2019 schlugen Rafael Laso-Pérez und Gunter Wegener vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie vor, dass ein besonderes Archaeon dies ganz alleine kann, wie ihre Genom-Analysen vermuten ließen. Nun ist den Forschenden in Zusammenarbeit mit einem Team aus China gelungen, diese „Wundermikrobe“ im Labor zu kultivieren. So konnten sie genau beschreiben, wie die Mikrobe die Umwandlung vollzieht. Zudem stellten sie fest, dass sie sich bevorzugt auf ziemlich sperrige Nahrung stürzt.

Ölfeld
Auf einem Ölfeld wie diesem fanden Gunter Wegener und seine Kolleginnen und Kollegen die Mikroorganismen, die nun auch in ihrem Labor leben. Genetische Informationen zeigen, dass sie weit verbreitet sind und sogar in der Tiefsee leben. (© Yoshi Canopus/ CC-BY-SA-4.0)

In un­ter­ir­di­schen Ölvor­kom­men an Land und im Meer le­ben Mi­kro­or­ga­nis­men, die das Öl als En­er­gie- und Nah­rungs­quel­le nut­zen und es da­bei in Me­than um­wan­deln. Bis vor Kur­zem dach­te man, dass die­se Um­wand­lung nur in ei­ner kom­pli­zier­ten Team­ar­beit zwi­schen ver­schie­de­nen Or­ga­nis­men – be­stimm­ten Bak­te­ri­en und üb­li­cher­wei­se zwei Ar­chae­en­ar­ten – mög­lich ist. Nun konn­ten die For­schen­den ein Ar­chaeon na­mens Me­tha­no­lip­a­ria aus dem Ab­setz­tank ei­ner Ölför­der­an­la­ge kul­ti­vie­ren, das die­se kom­ple­xe Re­ak­ti­on ganz al­lei­ne er­le­digt.

Methanoliparia-Zelle
Aufnahme aus dem Epifluoreszenzmikroskop: Methanoliparia-Zellen (grün) aus den Laborkulturen. Das Öltröpfchen, das die Archaeen besiedeln, ist als rötlicher Schimmer zu erkennen. Die roten Punkte sind einige wenig Bakterien, die noch in der Kultur leben. (© Rafael Laso-Pérez/Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie; aus: Zhou et al., Nature, 2021)

Enzyme für alle Fälle

Die­se „Wun­der­mi­kro­be“ spal­tet Öl auf in Me­than (CH4) und Koh­len­di­oxid (CO2). „Me­tha­no­lip­a­ria ist eine Art Misch­we­sen, das die Ei­gen­schaf­ten ei­nes Ölab­bau­ers mit de­nen ei­nes Me­tha­no­ge­nen, also ei­nes Me­than­bild­ners, ver­eint“, er­klärt der Bre­mer Stu­di­en­au­tor Gun­ter We­ge­ner vom Max-Planck-In­sti­tut für Ma­ri­ne Mi­kro­bio­lo­gie und vom MA­RUM – Zen­trum für Ma­ri­ne Um­welt­wis­sen­schaf­ten der Uni­ver­si­tät Bre­men.

Nach­dem es den For­schen­den nun ge­lun­gen ist, die­se Mi­kro­or­ga­nis­men im La­bor zu kul­ti­vie­ren, konn­ten sie die da­hin­ter­lie­gen­den Pro­zes­se ge­nau un­ter­su­chen. Sie stell­ten fest: Sei­ne ge­ne­ti­sche Aus­stat­tung ver­leiht Me­tha­no­lip­a­ria ein­zig­ar­ti­ge Fä­hig­kei­ten. „In sei­nen Ge­nen trägt es die Bau­plä­ne für En­zy­me, die ver­schie­de­ne Koh­len­was­ser­stof­fe ak­ti­vie­ren und zer­le­gen kön­nen. Da­ne­ben hat es aber auch die kom­plet­te Aus­stat­tung ei­nes Me­than­bild­ners“, so We­ge­ner.

Neuer Weg der Methanogenese

In ih­ren La­bor­kul­tu­ren mach­ten die For­schen­den den Mi­kro­ben ver­schie­de­ne Nah­rungs­an­ge­bo­te und nutz­ten eine Viel­zahl ver­schie­de­ner Me­tho­den, um Me­tha­no­lip­a­ria auf den Zahn zu füh­len. Be­son­ders er­staun­lich war, dass die­ses Ar­chaeon all die ver­schie­de­nen Koh­len­was­ser­stof­fe mit ein und dem­sel­ben En­zym ak­ti­vier­te. „Bis­her ha­ben wir nur Ar­chae­en kul­ti­viert, die von kurz­ket­ti­gen Koh­len­was­ser­stof­fen wie Ethan oder Bu­tan le­ben. Me­tha­no­lip­a­ria be­vor­zugt hin­ge­gen schwe­res Öl mit sei­nen lang­ket­ti­gen Ver­bin­dun­gen“, sagt Mit­au­tor Ra­fa­el Laso-Pé­rez, der mitt­ler­wei­le am spa­ni­schen Na­tio­nal Cen­ter for Bio­tech­no­lo­gy (CNB) ar­bei­tet. „Me­tha­no­ge­ne Mi­kro­ben, die lang­ket­ti­ge Koh­len­was­ser­stof­fe di­rekt nut­zen – das kann­ten wir bis­her nicht. Auch kom­pli­zier­te Koh­len­was­ser­stof­fe mit ring­för­mi­gen oder aro­ma­ti­schen Struk­tu­ren sind Me­tha­no­lip­a­ria nicht zu sper­rig, zu­min­dest wenn die­se an min­des­tens eine län­ge­re Koh­len­stoff­ket­te ge­bun­den sind. Wir ha­ben hier also ne­ben un­se­ren an­de­ren span­nen­den Er­geb­nis­sen auch ei­nen zu­vor völ­lig un­be­kann­ten Weg der Me­tha­no­ge­ne­se ge­fun­den.“

Kulturen
Sieht nicht nach viel aus, steckt aber voller Überraschungen: In solchen Flaschen wachsen die Kulturen von Methanoliparia (© Lei Cheng)

Vom Öltank bis in die Tiefsee zu finden

Die Me­tha­no­lip­a­ria-Zel­len, die für die vor­lie­gen­de Stu­die kul­ti­viert wur­den, stam­men aus ei­nem der größ­ten Ölfel­der Chi­nas, dem Sheng­li-Ölfeld. Ge­ne­ti­sche Ana­ly­sen zei­gen, dass die­se Mi­kro­ben aber auf der gan­zen Welt ver­brei­tet sind, bis hin­ab in die Tief­see. „Un­se­re Er­geb­nis­se ber­gen ein gänz­lich neu­es Ver­ständ­nis des Ölab­baus in un­ter­ir­di­schen Ölla­ger­stät­ten. So­wohl die wei­te Ver­brei­tung die­ser Or­ga­nis­men als auch die mög­li­chen in­dus­tri­el­len An­wen­dun­gen ma­chen das in den kom­men­den Jah­ren zu ei­nem span­nen­den For­schungs­feld“, schließt We­ge­ner.

Ori­gi­nal­ver­öf­fent­li­chung

Zhuo Zhou, Cui-jing Zhang, Peng-fei Liu, Lin Fu, Ra­fa­el Laso-Pérez, Lu Yang, Li-ping Bai, Jiang Li, Min Yang, Jun-zhang Lin, Wei-dong Wang, Gun­ter We­ge­ner, Meng Li, Lei Cheng (2021): Non-syn­tro­phic me­tha­no­ge­nic hy­dro­c­ar­bon de­gra­da­ti­on by an ar­chae­al spe­cies. Na­tu­re (2021)

DOI: 10.1038/s41586-021-04235-2

Be­tei­lig­te In­sti­tu­tio­nen

  • Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, Bremen, Deutschland
  • MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften und Institut für Geowissenschaften, Universität Bremen, Deutschland
  • Biogas Institute of Ministry of Agriculture and Rural Affairs, Chengdu, China
  • Archaeal Biology Center, Shenzhen University, China

Rück­fra­gen bit­te an:

Wissenschaftler

HGF MPG Brückengruppe für Tiefsee-Ökologie und -Technologie

Dr. Gunter Wegener

MPI für Marine Mikrobiologie
Celsiusstr. 1
D-28359 Bremen

Raum: 

1335

Telefon: 

+49 421 2028-8670

Dr. Gunter Wegener

Pressereferentin

Dr. Fanni Aspetsberger

MPI für Marine Mikrobiologie
Celsiusstr. 1
D-28359 Bremen

Raum: 

1345

Telefon: 

+49 421 2028-9470

Dr. Fanni Aspetsberger
 

Wei­ter­le­sen

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