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Wählerische Bakterien: Spezialisiert auf zähe Algenzucker
Verrucomicrobiota sind allgegenwärtig – man findet sie in verschiedensten Lebensräumen, vom Boden über Meeres- und Süßwasser bis hin zum menschlichen Darm. Allerdings drängeln sie sich nur selten in den Vordergrund, sie bleiben lieber unauffällig. Bei Untersuchungen in der Nordsee kam ihnen Luis Orellana, Mikrobiologe am Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie in Bremen, aber dennoch auf die Spur und entdeckte sie in Wasserproben, die während der jährlichen Frühjahrsblüte gesammelt wurden. Nun zeigt er, dass die Verrucomicrobiota eine ganz besondere Rolle beim Abbau dieser Algenblüten spielen. Zusammen mit seinen Kolleginnen und Kollegen präsentiert er seine Ergebnisse im Fachmagazin ISME Journal.
Die jährlich wiederkehrenden Algenblüten in der Nordsee sind schon seit vielen Jahren ein Forschungsschwerpunkt des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie. Jedes Frühjahr vermehren sich massenhaft winzige Algen. Wenn sie sterben, gelangen große Mengen an Zucker in Form von Polysacchariden ins umliegende Wasser – ein Festmahl für Bakterien. So folgt auf die Algenblüte eine Blüte heterotropher Bakterien, die sich darauf spezialisiert haben, diese frisch verfügbaren Polysaccharide zu verzehren. Die Bakterien verwerten den Kohlenstoff, der in den Algen enthalten war, und geben ihn als Kohlendioxid an die Atmosphäre ab.
In früheren Untersuchungen konnten die Bremer Max-Planck-Forschenden zeigen, dass dabei alljährlich dieselben spezialisierten Bakteriengruppen dominieren. Darunter, aber nicht ganz vorne mit dabei, sind die Verrucomicrobiota. „Im Gegensatz zu anderen Bakteriengruppen sind die Verrucomicrobiota streng saisonal“, erklärt Orellana. „Während der Algenblüte finden wir bestimmte Arten, die wir das restliche Jahr nicht entdecken können – sie scheinen vor allem den Festschmaus zu genießen, der ihnen während der Blüte serviert wird.“
Orellana und seine Kolleginnen und Kollegen haben daraufhin untersucht, warum das so ist. „Wir fanden heraus, dass Verrucomicrobiota-Zellen hochspezialisierte Konsumenten von schwer abbaubaren Zuckern sind – also von sulfat- und fucosehaltigen Polysacchariden.“ Im Gegensatz zu anderen Bakterien, die sich an den leicht zu verzehrenden, leckeren Algenresten gütlich tun, bevorzugen die Verrucomicrobiota die zähen Brocken. Das können sie auch besonders gut, da sie über die nötigen Mittel verfügen, um diese Algenbestandteile abzubauen.
„Mithilfe von Metagenomik, Metaproteomik und Methoden zur Sichtbarmachung von Zellen konnten wir sehen, dass Verrucomicrobiota eine Kombination spezialisierter Abbauwege nutzen, um die Fucose verzehren zu können“, so Orellana weiter. „Zudem verfügen sie über sogenannte bakterielle Mikrokompartimente, das sind organellenähnliche Strukturen mit einer Proteinhülle, in der giftige Verbindungen gelagert werden können. So gelingt es diesen Bakterien, die zähen Zucker zu fressen, ohne dass sich toxische Substanzen, die im Laufe der Mahlzeit entstehen, anhäufen.“ Manche zähen Zucker werden möglicherweise nicht vollständig abgebaut, sondern für lange Zeit im Meeresboden vergraben. Ein anderer Teil davon wiederum verbleibt gelöst im Wasser. So kann die Aktivität der Verrucomicrobiota beeinflussen, welche Moleküle in welchen Kohlenstoffpools gebunden werden.
Orellana und sein Team entdeckten zudem zwei neue Arten von Verrucomicrobiota, die sie Candidatus Mariakkermansia forsetii und Candidatus Fucivorax forsetii nannten. „Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es das Geheimrezept dieser Bakteriengruppe zu sein scheint, dass sie zwar sehr wählerisch sind, aber auch sehr gut darin, die ausgewählte Nahrung zu verzehren“, schließt Orellana.
Originalveröffentlichung
Luis H. Orellana, T. Ben Francis, Marcela Ferraro, Jan-Hendrik Hehemann, Bernhard M. Fuchs and Rudolf I. Amann (2021): Verrucomicrobiota are specialist consumers of sulfated methyl pentoses during diatom blooms. The ISME Journal.
DOI: 10.1038/s41396-021-01105-7
Behind the paper:
Beteiligte Institutionen
Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, Bremen
MARUM, Zentrum für Marine Umweltwissenschaften an der Universität Bremen
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Projektleiter
Dr. Luis Humberto Orellana Retamal
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MPI für Marine Mikrobiologie
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