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Wie binden Algen Kohlenstoff?
Lange bevor Pflanzen die Erde besiedelten, betrieben Algen (Seetang) unermüdlich Photosynthese und verwandelten Sonnenlicht und CO₂ in Sauerstoff und Zucker – die Nahrung für alle anderen Meeresorganismen. Etwa die Hälfte des gesamten auf der Erde vorkommenden CO₂ wird im Meer gebunden, was Forschende als Kohlenstoffkreislauf bezeichnen. Den Zucker aus der Photosynthese nutzen die Algen für ihren Eigenbedarf, etwa ein Drittel geben sie jedoch als Schleim wieder ab.
Dieser zuckerhaltige Schleim ist so unwirtlich, wie er klingt: Bakterien und Pilze mögen ihn nicht besonders und können ihn nur schwer abbauen. Die Folge? Der Zuckerschleim speichert über Jahrhunderte Kohlenstoff auf dem Meeresboden, was sich auf den CO₂-Gehalt der Atmosphäre auswirkt. Doch für manche ist der Zuckerschleim attraktiv: Forschende des Max-Planck-Instituts für Kolloid- und Grenzflächenforschung und des MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen wollen seinen wenig bekannten Mechanismus entschlüsseln. Sie tauchten aber nicht ab, um den Algenschleim zu sammeln, sondern synthetisierten ihn mit Hilfe der organischen Chemie im Labor.
"Ein Hauptbestandteil dieses Algenschleims ist Fucoidan, ein komplexer Zucker (Polysaccharid). Seine Struktur auf molekularer Ebene zu verstehen, ist eine Herausforderung. Deshalb nutzen wir die chemische Synthese, um definierte Moleküle herzustellen und die vielen Geheimnisse des Fucoidans zu entschlüsseln", erklärt Dr. Conor Crawford.
Am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung verwendete Crawford die von Prof. Peter Seeberger entwickelte Technik der automatisierten Glykan-Montage (Automated Glycan Assembly). Ähnlich wie bei der Druckerpresse für Bücher ermöglicht die AGA die schnelle, reproduzierbare und kontrollierte Herstellung von Zuckermolekülen, anstatt sie von Hand herstellen zu müssen. Zusammen mit Prof. Jan-Hendrik Hehemann, Leiter der Forschungsgruppe Marine Glykobiologie am Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie und am MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen, untersuchten die Forschenden mit dem synthetischen Fucoidan die Strukturen von Algen und deren Wechselwirkungen mit Enzymen und Antikörpern – und ahmten damit im Labor nach, was in marinen Ökosystemen passiert. Sie fanden heraus, dass Fucoidan-ähnliche Moleküle nicht nur in Braunalgen vorkommen, sondern auch in der weit verbreiteten Mikroalge Thalassiosira weissflogii. "Wenn Mikroalgen Fucoidan produzieren, könnten diese unsichtbaren Organismen eine größere Rolle im Kohlenstoffkreislauf spielen, als bisher gedacht", stellt sich Crawford vor.
Wie Fucoidan funktioniert, ist ein wichtiges fehlendes Teil im Puzzle der marinen Kohlenstoffbindung. Hehemann betont: "Die Klimakrise erfordert die Zusammenarbeit von Wissenschaftler*innen aus verschiedenen Disziplinen. Ich bin daher sehr erfreut, dass wir mit Chemikern zusammenarbeiten konnten, die unsere Sorge um die Umwelt teilen." Weitere Forschung ist notwendig, jedoch zeigen die im Labor hergestellten Zucker die süße Seite des rätselhaften Algenschleims: Fucoidan ist ein vielversprechender natürlicher Verbündeter gegen Treibhausgasemissionen.
Originalveröffentlichung
Conor J. Crawford, Mikkel Schultz-Johansen, Phuong Luong, Silvia Vidal-Melgosa, Jan-Hendrik Hehemann, and Peter H. Seeberger (2024): Automated Synthesis of Algal Fucoidan Oligosaccharides.
DOI: 10.1021/jacs.4c02348
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