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28.08.2010 Ab­bau von Erd­öl durch Bak­te­ri­en - Grund­le­gen­de Ge­sichts­punk­te aus mi­kro­bio­lo­gi­scher Sicht

28.08.2010

An­läss­lich der Ölka­ta­stro­phe im Golf von Me­xi­ko am 20. April 2010

Eine Ölka­ta­stro­phe stellt Be­tei­lig­te und Um­welt­schutz vor gro­ße tech­ni­sche und or­ga­ni­sa­to­ri­sche Her­aus­for­de­run­gen: Aus­tritt und Aus­brei­tung müs­sen um­ge­hend ein­ge­dämmt wer­den. Das aus­ge­tre­te­ne Öl ist so weit wie mög­lich zu sam­meln – ein auf­wän­di­ges Un­ter­fan­gen, vor al­lem, wenn schon die Küs­ten be­trof­fen sind. Doch was pas­siert mit dem be­reits ver­teil­ten Öl, das in dun­kel schil­lern­den Schich­ten Was­ser und Küs­ten­bo­den be­deckt und nicht ge­sam­melt wer­den kann?

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Abbau von Erdöl durch Bakterien
Grundlegende Gesichtspunkte aus mikrobiologischer Sicht

Eine Ölka­ta­stro­phe stellt Ver­ant­wort­li­che, Be­tei­lig­te und Um­welt­schutz vor gro­ße tech­ni­sche und or­ga­ni­sa­to­ri­sche Her­aus­for­de­run­gen: Aus­tritt und Aus­brei­tung müs­sen um­ge­hend ein­ge­dämmt wer­den. Das aus­ge­tre­te­ne Öl ist so weit wie mög­lich zu sam­meln – ein auf­wän­di­ges Un­ter­fan­gen, vor al­lem, wenn schon die Küs­ten be­trof­fen sind. Doch was pas­siert mit dem be­reits weit ver­teil­ten Öl, das als dunk­le, oft schil­lern­de Schicht Was­ser und Küs­ten­bo­den be­deckt und nicht mehr ge­sam­melt wer­den kann? Dass Ölschich­ten nach und nach ver­schwin­den, je­den­falls größ­ten­teils, dass sich die Um­welt all­mäh­lich „selbst“ rei­nigt, ist Bak­te­ri­en zu ver­dan­ken, die das Öl mit Sau­er­stoff ab­bau­en. Bei plötz­li­chen, sehr mas­si­ven Ver­schmut­zun­gen gibt es je­doch Ab­bau­pro­ble­me. Des­halb wird bei ei­ner Ölka­ta­stro­phe über Erd­öl-ab­bau­en­de Bak­te­ri­en viel dis­ku­tiert: Was für Bak­te­ri­en sind das? Wo und wie le­ben sie? Könn­te man sie ge­zielt zur Be­kämp­fung der Ölver­schmut­zung ein­set­zen? Kann man sie züch­ten? Wie kann sich der Sau­er­stoff­ver­brauch aufs Öko­sys­tem aus­wir­ken? So viel­fäl­tig die The­ma­tik auch er­schei­nen mag, der na­tür­li­che Erd­öl­ab­bau ba­siert auf über­schau­ba­ren mi­kro­bio­lo­gi­schen und che­mi­schen Prin­zi­pi­en.

Was ist Öl?

Wenn von Ölfel­dern, Ölför­de­rung und Ölun­fäl­len die Rede ist, muss nicht ex­tra ge­sagt wer­den, dass Erd­öl und nicht etwa Spei­se­öl ge­meint ist. Die Un­ter­schei­dung zwi­schen Spei­se­öl und Erd­öl ist of­fen­sicht­lich: Spei­se­öl dient als Nah­rungs­mit­tel und ist ent­spre­chend gut ver­dau­lich. Erd­öl dient der Treib­stoff­ge­win­nung. Im Kör­per wäre es un­ver­dau­lich, höchst un­be­kömm­lich und der Ge­sund­heit ab­träg­lich. Auch in Far­be und Ge­ruch un­ter­schei­den sich bei­de: Erd­öl ist tief­braun und riecht nach Au­to­ben­zin, wäh­rend Spei­se­ö­le meist gelb­lich oder leicht grün­lich sind und nicht oder nur schwach nuss­ar­tig rie­chen. An­ge­sichts der Her­kunft sind die Un­ter­schie­de nicht ver­wun­der­lich: Wäh­rend Spei­se­öl frisch von le­ben­den Pflan­zen ge­bil­det wird, ist Erd­öl über Jahr­mil­lio­nen aus al­ter Bio­mas­se durch che­mi­sche Um­wand­lun­gen tief im Un­ter­grund ent­stan­den. Spei­se­öl und Erd­öl ha­ben aber auch Ge­mein­sam­kei­ten: Pflan­zen­öl kann grund­sätz­lich auch der Treib­stoff­ge­win­nung die­nen. Die auf­fäl­ligs­te Ge­mein­sam­keit ist, dass sich so­wohl Erd­öl als auch Spei­se­öl nicht mit Was­ser mi­schen las­sen, „oben­auf“ schwim­men und au­ßer­dem nicht so leicht wie Was­ser, son­dern et­was dick­flüs­sig, eben „ölig“, flie­ßen. Alle Flüs­sig­kei­ten mit die­sen Ei­gen­schaf­ten hei­ßen um­gangs­sprach­lich „Öle“. Die Ge­mein­sam­kei­ten und Un­ter­schie­de wer­den am bes­ten durch die che­mi­sche Zu­sam­men­set­zung er­klärt.
Abbildung 1. Öl ist nicht gleich Öl. Spei­se­ö­le ha­ben eine an­de­re che­mi­sche Zu­sam­men­set­zung als Erd­öl (Roh­öl) und ver­hal­ten sich bio­lo­gisch auch an­ders. Den­noch gibt es auch ei­ni­ge Ge­mein­sam­kei­ten.

Spei­se­öl

In Spei­se­ölen sind ver­schie­de­ne Fett­säu­re­mo­le­kü­le mit Gly­ce­rin als Trä­ger­mo­le­kül ver­bun­den. Sind sol­che Ver­bin­dun­gen bei Raum­tem­pe­ra­tur fest, spricht man nicht von Ölen, son­dern von Fet­ten. Erst beim Er­hit­zen wer­den Fet­te flüs­sig und zei­gen ihre gro­ße Ähn­lich­keit mit Ölen. Gly­ce­rin in frei­er Form ist eine zähe, mit Was­ser gut misch­ba­re süße Flüs­sig­keit. In der Ver­bin­dung mit Fett­säu­ren ist die Was­ser­lös­lich­keit des Gly­ce­rins ver­schwun­den, und die Ver­bin­dung ist aus­ge­spro­chen was­ser­ab­wei­send. Der Nähr- und Ge­sund­heits­wert wird durch die Fett­säu­ren be­stimmt. Der Kör­per nutzt sie vor al­lem als En­er­gie­spei­cher und En­er­gie­quel­le. Fett­säu­ren (Ab­bil­dung 2a) be­ste­hen zu ei­nem sehr ho­hen An­teil aus den Ele­men­ten Koh­len­stoff (Sym­bol: C) und Was­ser­stoff (Sym­bol: H). Da­ne­ben ent­hal­ten sie – und das ist ent­schei­dend für de­ren Ver­dau­lich­keit – das Ele­ment Sau­er­stoff (Sym­bol: O) in ge­bun­de­ner Form. Die­ser er­mög­licht auch die che­mi­sche An­bin­dung an das Gly­ce­rin.

Erd­öl und Erd­öl-Pro­duk­te

Erd­öl und dar­aus ge­won­ne­ne Pro­duk­te (Die­sel­öl, Heiz­öl, Schmier­öl, Par­af­fin­öl) sind sehr kom­ple­xe Ge­mi­sche aus hun­der­ten von Sub­stan­zen. Die men­gen­mä­ßig vor­herr­schen­den, meist über 85% vom Ge­wicht, ge­hö­ren alle ei­ner che­mi­schen Klas­se an, den Koh­len­was­ser­stof­fen. Mit an­de­ren Wor­ten, Erd­öl be­steht größ­ten­teils aus Koh­len­was­ser­stof­fen. Che­misch be­ste­hen die­se, und dar­um wer­den sie so ge­nannt, nur aus den Ele­men­ten Koh­len­stoff und Was­ser­stoff. Koh­len­was­ser­stof­fe sind für Mensch und Tier un­ver­dau­lich, oft un­ver­träg­lich und teils auch gif­tig. Un­ver­dau­lich – wenn auch un­gif­tig – sind bei­spiels­wei­se rei­nes (phar­ma­zeu­ti­sches) Par­af­fin­öl, Va­se­li­ne und Ker­zen­par­af­fin. Un­ver­dau­lich und gleich­zei­tig gif­tig sind zum Bei­spiel Ben­zol und Toluol.
In Koh­len­was­ser­stof­fen sind die Ato­me der Ele­men­te Koh­len­stoff und Was­ser­stoff auf viel­fäl­ti­ge Wei­se mit­ein­an­der ver­knüpft. Jede Ver­knüp­fungs- oder Kom­bi­na­ti­ons­mög­lich­keit stellt ei­nen ganz be­stimm­ten Koh­len­was­ser­stoff mit che­mi­schem Na­men dar (z.B. Pro­pan, He­xan, Oc­tan, Ben­zol oder Toluol). Ein häu­fi­ges Kom­bi­na­ti­ons­prin­zip zeigt Ab­bil­dung 2b, c. Hier sind die Koh­len­stoff­ato­me zu ve­schie­den lan­gen Ket­ten ver­bun­den. Die Koh­len­stoff­ato­me am Ket­ten­en­de sind von drei, alle an­de­ren von zwei Was­ser­stoff­ato­men um­ge­ben. Die Ähn­lich­keit mit Fett­säu­ren ist auf­fäl­lig, nur feh­len die Sau­er­stoff­ato­me. Die­se Ge­bil­de hei­ßen of­fen­ket­ti­ge ge­sät­tig­te Koh­len­was­ser­stof­fe oder in der Fach­spra­che kurz n Al­ka­ne. n Al­ka­ne mit Ket­ten von 4 bis 17 Koh­len­stoff­ato­men sind bei Raum­tem­pe­ra­tur flüs­sig. Bei kür­ze­ren Koh­len­stoff­ket­ten sind n Al­ka­ne gas­för­mig und bei län­ge­ren wach­s­ähn­lich fest.
Abbildung 2:
a. Pal­mit­in­säu­re, eine ge­sät­tig­te Fett­säu­re, wie sie che­misch ge­bun­den in Spei­se­ölen und Nah­rungs­fett vor­kommt.
b. Der Koh­len­was­ser­stoff He­xan ver­duns­tet sehr leicht und ist ent­spre­chend feu­er­ge­fähr­lich. Leicht­ben­zin ent­hält viel He­xan. Es riecht wie Wasch­ben­zin aus der Apo­the­ke.
c. Der Koh­len­was­ser­stoff He­xa­de­can ver­duns­tet sehr lang­sam und ist schwe­rer ent­zünd­lich. Ein­mal ent­zün­det brennt es je­doch eben­falls hef­tig. Es ist fast ge­ruch­los. Die­sel­öl und Lam­pen­öl ent­hal­ten recht viel He­xa­de­can.
Bei Ent­zün­dung an der Luft ver­bren­nen alle Koh­len­was­ser­stof­fe un­ter star­ker Hit­ze­ent­wick­lung. Dar­um sind Koh­len­was­ser­stof­fe En­er­gie­trä­ger. Im prak­ti­schen Ge­brauch sind und blei­ben Koh­len­was­ser­stof­fe als En­er­gie­trä­ger un­über­trof­fen. Bei ge­rin­gem spe­zi­fi­schen Ge­wicht (sie sind spe­zi­fisch leich­ter als Was­ser) lie­fern sie sehr viel En­er­gie. Die Ver­bren­nung kommt durch den Sau­er­stoff (O2) der Luft zu­stan­de. Die­ser ver­bin­det sich mit dem Koh­len­stoff zu Ko­hen­di­oxid (CO2) und mit dem Was­ser­stoff zu Was­ser (H2O). Pro­du­ziert wer­den so­mit – eine sau­be­re Ver­bren­nung vor­aus­ge­setzt – gas­för­mi­ges Koh­len­di­oxid und Was­ser­dampf, der sich als Kon­dens­was­ser nie­der­schlägt. Der hohe En­er­gie­ge­halt zu­sam­men mit Sau­er­stoff und die Ver­bren­nung zu flüch­ti­gen un­gif­ti­gen Pro­duk­ten führ­ten zum „Sie­ges­zug“ von Erd­öl-Koh­len­was­ser­stof­fen als En­er­gie­quel­len un­se­rer tech­ni­sier­ten Welt. Auto, Flug­zeug, Mo­tor­schiff eben­so wie Gas- und Ölhei­zung brau­chen zum Be­trieb nur Koh­len­was­ser­stof­fe und Luft.

Wo­her stammt Erd­öl?

Erd­öl ist einst aus klei­nen Mee­res­or­ga­nis­men, wahr­schein­lich vor al­lem Al­gen und Cya­no­bak­te­ri­en, ent­stan­den (Ab­bil­dung 3). Es muss Epo­chen in der Erd­ge­schich­te ge­ge­ben ha­ben, in de­nen die Mee­res­or­ga­nis­men in küs­ten­na­hen oder ab­ge­grenz­ten Mee­res­be­rei­chen be­son­ders üp­pig wuch­sen. Sie ver­wan­del­ten, wie ihre heu­ti­gen Ver­wand­ten, CO2 in le­ben­de Bio­mas­se und setz­ten Sau­er­stoff frei, ge­trie­ben durch die En­er­gie des Son­nen­lichts. Der Pro­zess ist als Pho­to­syn­the­se be­kannt. Nach dem Ab­ster­ben und Ab­sin­ken wur­de ein Teil der to­ten Bio­mas­se durch Bak­te­ri­en wie­der zu CO2 ab­ge­baut. Ein Teil der Bio­mas­se wur­de je­doch am Mee­res­grund im Se­di­ment be­gra­ben. Wie­der­um ein Teil da­von, un­ter an­de­rem auch na­tür­li­che Fett­säu­ren, wur­de durch kom­ple­xe che­mi­sche Um­wand­lun­gen bei den er­höh­ten Tem­pe­ra­tu­ren in der Tie­fe all­mäh­lich in Erd­öl ver­wan­delt. Das Erd­öl wan­der­te dann lang­sam aus den tie­fen Ge­steins­schich­ten sei­ner Ent­ste­hung in jün­ge­re, dar­über lie­gen­de. Wenn es von ei­ner jün­ge­ren Ge­steins­schicht nicht durch­ge­las­sen wur­de, sam­mel­te es sich dar­un­ter. Das sind dann die ty­pi­schen Re­ser­voi­re, die durch „An­boh­ren“ er­schlos­sen wer­den. Wenn kei­ne öl­dich­te Deck­schicht vor­han­den war, zwäng­te sich das Erd­öl durch Ka­nä­le und Spal­ten wei­ter bis zur Ober­flä­che des Mee­res­bo­dens. Teils ver­dick­te es zu ei­ner asphaltähn­li­chen Mas­se, teils trieb es im Was­ser hoch. So wur­de die Um­welt schon lan­ge vor der Zeit des Men­schen stän­dig mit Erd­öl kon­fron­tiert, al­ler­dings in ei­nem sehr lang­sa­men Pro­zess. Auch heu­te fin­det man sol­che na­tür­li­chen Erd­öl­aus­trit­te am Mee­res­bo­den (Ab­bil­dung 4).
Die Ent­ste­hungs­ge­schich­te ver­deut­licht, dass Erd­öl um­ge­wan­del­te Bio­mas­se ist und da­mit die in Vor­zei­ten ge­spei­cher­te Son­nen­en­er­gie ent­hält. Wenn Erd­öl von uns als En­er­gie­quel­le ge­nutzt wird, mag das des­halb „na­tur­nah“ und da­mit un­pro­ble­ma­tisch er­schei­nen, al­ler­dings nur auf den ers­ten Blick. Denn die Mensch­heit kann in ei­nem Zeit­raum von viel­leicht nicht ein­mal zwei Jahr­hun­der­ten ver­brau­chen, was sich in der Erd­ge­schich­te über vie­le Jahr­mil­lio­nen an­ge­sam­melt hat. Es ist, als wür­de je­mand die Er­spar­nis­se aus Ge­ne­ra­tio­nen in­ner­halb ei­ner Stun­de aus­ge­ben. Au­ßer­dem wur­de die be­gra­be­ne Bio­mas­se bei der che­mi­schen Um­wand­lung „ent­frem­det“. Erd­öl hat kaum noch Ähn­lich­keit mit der ur­sprüng­li­chen Bio­mas­se und scha­det den meis­ten Le­be­we­sen, ist also kein rein bio­lo­gi­sches Pro­dukt.
Abbildung 3. Ver­ein­fach­tes Sche­ma der Erd­öl­bil­dung.
a. Über Pho­to­syn­the­se, d.h. durch Nut­zung von Son­nen­licht, wur­den in frü­he­ren Epo­chen Koh­len­di­oxid (CO2) und Was­ser (H2O) in Al­gen-Bio­mas­se und Sau­er­stoff (O2) ver­wan­delt.
b. Was nach dem Ab­ster­ben nicht durch an­de­re Mi­kro­or­ga­nis­men ver­wer­tet wur­de, wur­de im Se­di­ment be­gra­ben.
c. Im Lau­fe von Jahr­mil­lio­nen ent­stand dar­aus durch lang­sa­me che­mi­sche Um­wand­lun­gen bei er­höh­ter Tem­pe­ra­tur in den tie­fen Schich­ten Erd­öl (rot dar­ge­stellt), das sich ent­we­der un­ter dich­tem Ge­stein an­sam­mel­te 1 oder lang­sam bis zum Was­ser hoch­wan­der­te 2

Wo und wie le­ben Erd­öl ab­bau­en­de Bak­te­ri­en?

Trotz stän­di­ger Frei­set­zung aus na­tür­li­chen Quel­len über Jahr­mil­lio­nen hat sich Erd­öl auf den Welt­mee­ren nicht an­ge­sam­melt. Es wur­de und wird von Bak­te­ri­en lau­fend ver­zehrt und auf die­se Wei­se be­sei­tigt. Ohne die­se wä­ren wei­te Küs­ten­land­schaf­ten mit Krus­ten aus ver­wit­ter­tem Erd­öl be­deckt, und das hö­he­re Le­ben hät­te sich dort wahr­schein­lich kaum ent­wi­ckeln kön­nen. Erd­öl-ab­bau­en­de Bak­te­ri­en sind so­mit fast über­all auf der Welt ver­brei­tet, im Meer­was­ser, an Strän­den, in Bö­den und in Bin­nen­ge­wäs­sern. Den­noch kom­men sie in sau­be­ren Ge­wäs­sern und Bö­den nor­ma­ler­wei­se in viel ge­rin­ge­ren Zah­len als an­de­re Bak­te­ri­en vor. Sie er­näh­ren sich dann von den ge­rin­gen Koh­len­was­ser­stoff-Men­gen, die stets in der Um­welt vor­kom­men, und von an­de­ren Nähr­stof­fen. Erst wenn Erd­öl oder Erd­öl­pro­duk­te in die Um­welt ge­lan­gen, kommt es zur Mas­sen­ver­meh­rung die­ser spe­zi­el­len Bak­te­ri­en. Eine gro­ße Rol­le spie­len sie auch an na­tür­li­chen Aus­tritts­stel­len wie den „Ölquel­len“ und „Asphalt­vul­ka­nen“ im Meer. Hier wird so­gar eine ganz ei­ge­ne Fau­na mit be­son­de­ren Tier­for­men (Ab­bil­dung 4) durch Erd­öl-ab­bau­en­de Bak­te­ri­en un­ter­hal­ten. Di­ver­se Bak­te­ri­en er­näh­ren sich vom Erd­öl und Ab­bau­pro­duk­ten, und die Tie­re wie­der­um von den Bak­te­ri­en.
Abbildung 4: Ober­flä­che ei­nes so­ge­nann­ten Asphalt­vul­kans, ei­ner na­tür­li­chen Erd­öl­quel­le, am Mee­res­grund. Er­kenn­bar sind dunk­le Asphalt-ähn­li­che Klum­pen, die aus dem öl­hal­ti­gen Se­di­ment her­aus­ra­gen und oft von Kalt­was­ser­ko­ral­len be­sie­delt wer­den. Auch an­de­re Be­sied­ler wie zum Bei­spiel die Mu­schel links un­ten oder die Krus­ten­schwäm­me dar­über sind zu er­ken­nen. Die Tie­re er­näh­ren sich von Bak­te­ri­en. Die Bak­te­ri­en wie­der­um le­ben von Erd­öl und sei­nen Ab­bau­pro­duk­ten. Weil das Erd­öl mit­tels Sau­er­stoff nur von der Ober­flä­che her ge­nutzt wer­den kann, sind die Klum­pen und das Se­di­ment tie­fer drin­nen frei von Sau­er­stoff und tee­rig-ölig. Stu­die: Ant­je Boe­ti­us.

Aus Was­ser-, Se­di­ment- und Bo­den­pro­ben, ins­be­son­de­re wenn die­se schon lan­ge mit Erd­öl oder Treib­stof­fen be­las­tet sind, las­sen sich Erd­öl-ab­bau­en­de Bak­te­ri­en mit mi­kro­bio­lo­gi­schen Ver­fah­ren kul­ti­vie­ren und im La­bor un­ter­su­chen. Erd­öl-ab­bau­en­de Bak­te­ri­en wur­den be­reits um das Jahr 1900 ent­deckt. In der zwei­ten Hälf­te des 20­ten Jahr­hun­derts wur­den im­mer wei­te­re Ar­ten ge­fun­den und de­ren Wachs­tum und Stoff­wech­sel un­ter­sucht. Es gibt si­cher­lich et­li­che hun­dert Ar­ten Erd­öl-ab­bau­en­der Bak­te­ri­en. Aber auch wenn si­cher­lich noch nicht alle Ar­ten Erd­öl-ab­bau­en­der Bak­te­ri­en ent­deckt wur­den, ist es im Ver­gleich zu den hun­dert­tau­sen­den ge­schätz­ter Bak­te­ri­en­ar­ten in der Na­tur nur eine klei­ne Grup­pe von „Spe­zia­lis­ten“.
Ge­nau­er müss­te man sa­gen, dass es sich bei den hier ge­nann­ten Erd­öl-ab­bau­en­den „Spe­zia­lis­ten“ un­se­rer di­rek­ten Um­welt um Sau­er­stoff-at­men­de Bak­te­ri­en han­delt. Seit jün­ge­rer Zeit kennt man auch Erd­öl-ab­bau­en­de Bak­te­ri­en, die ohne Sau­er­stoff le­ben. Die­se wach­sen je­doch ex­trem lang­sam und spie­len bei der Be­sei­ti­gung von Öl nach Un­fäl­len kaum eine Rol­le. Sie le­ben von Be­stand­tei­len des Erd­öls tie­fer im Mee­res­bo­den, in Küs­ten­san­den oder in Sümp­fen. Bei der Sa­nie­rung von Erd­öl­ver­schmut­zun­gen in un­se­rer ver­trau­ten Um­welt geht es also vor al­lem um den Erd­öl­ab­bau mit Sau­er­stoff.
Nah­rungs­mit­tel wer­den grund­sätz­lich mit En­zy­men ver­daut. Erd­öl ab­bau­en­de Bak­te­ri­en ha­ben be­son­de­re En­zy­me, mit de­nen sie die Koh­len­was­ser­stof­fe an­grei­fen und in Fett­säu­ren ver­wan­deln. Für Or­ga­nis­men, die über die­se be­son­de­ren En­zy­me nicht ver­fü­gen, und das gilt für Mensch, Tier und die meis­ten Bak­te­ri­en, sind Koh­len­was­ser­stof­fe un­ver­dau­lich. Ab­bil­dung 2 zeigt, dass ei­gent­lich „nur“ zwei Sau­er­stoff­ato­me in den Koh­len­was­ser­stoff ein­ge­baut wer­den müs­sen, um dar­aus eine ganz nor­mal ver­dau­li­che Fett­säu­re zu bil­den. Das klingt ein­fach, ist aber bio­che­misch schwie­rig und ver­langt da­her Spe­zi­al-En­zy­me. Die Bak­te­ri­en ver­at­men („ver­brenn­nen“) dann die ge­bil­de­ten Fett­säu­ren zu Koh­len­di­oxid und Was­ser und er­hal­ten so ihre En­er­gie zum Le­ben, so wie Mensch und Tier die üb­li­chen Fett­säu­ren aus ih­rer Nah­rung ver­at­men. Erd­öl-ab­bau­en­de Bak­te­ri­en als Spe­zia­lis­ten kön­nen das, was sonst nur ein Ver­bren­nungs­mo­tor kann: Koh­len­was­ser­stof­fe als En­er­gie­trä­ger nut­zen.
Bei der Zucht die­ser Bak­te­ri­en in Mini-Öko­sys­te­men im La­bor ist de­ren gu­tes Ge­dei­hen mit Koh­len­was­ser­stof­fen als Nah­rung im­mer wie­der be­ein­dru­ckend (Ab­bil­dung 5), vor­aus­ge­setzt, dass die Wachs­tums­be­din­gun­gen wie pH-Wert und Mi­ne­ral­salz­mi­schung rich­tig ein­ge­stellt wur­den. Auf dem Kul­tur­me­di­um, ei­ner Lö­sung von Mi­ne­ral­sal­zen ein­schließ­lich Stick­stoff-, Phos­phat- und Ei­sen­quel­le, bil­det das Erd­öl nach der Zu­ga­be zu­nächst ei­nen zu­sam­men­hän­gen­den bräun­li­chen Film. In­ner­halb we­ni­ger Tage zer­reißt der Film (so­fern er nicht zu dick ist) in klei­ne­re In­seln und bil­det beim Schüt­teln klei­ne dunk­le Tröpf­chen, die sich nicht wie­der zu ei­nem Film ver­ei­ni­gen (Ab­bil­dung 6). Im Ver­lauf wei­te­rer Tage wer­den die­se Tröp­chen klei­ner und die Was­ser­ober­flä­che wird fast öl­frei. Es sam­meln sich aber auch schwar­ze klei­ne Flo­cken von Erd­öl­be­stand­tei­len an, die wahr­schein­lich nur sehr lang­sam wei­ter ab­ge­baut wer­den. Un­ter dem Mi­kro­skop er­kennt man ein üp­pi­ges Wachs­tum von Bak­te­ri­en­zel­len. Aus sol­chen Kul­tu­ren las­sen sich di­ver­se Bak­te­ri­en­ar­ten iso­lie­ren (Ab­bil­dung 7).
Abbildung 5: Ab­bau­ver­such im La­bo­raqua­ri­um mit Erd­öl un­ter Zu­satz von Stick­stoff- und Phos­phat-Dün­ger. Ein Stück Wat­ten­meer-Ober­flä­che wur­de mit ei­ner dün­nen (1 Mil­li­me­ter) Ölschicht be­deckt, die sich mit dem Schlamm ver­band, und ge­flu­tet Die Fo­tos am 1. Tag (links), nach 6 Ta­gen (Mit­te) und 26 Ta­gen (rechts) zei­gen die na­tür­li­che „Sa­nie­rung“ der Ober­flä­che. Doch dar­un­ter be­fin­det sich wei­ter­hin eine zähe Ölschicht, die nur sehr lang­sam wei­ter ab­ge­baut wird. Foto: Flo­rin Musat.
Abbildung 6: Sche­ma der na­tür­li­chen Dis­per­si­on von Erd­öl durch Bak­te­ri­en. Die Bak­te­ri­en le­ben im Was­ser an der Ober­flä­che des Erd­öls, je­doch nicht im Erd­öl. Durch Was­ser­be­we­gung und Ab­bau ent­ste­hen im­mer klei­ne­re Tröp­chen. In­fol­ge der Be­set­zung durch Bak­te­ri­en kön­nen sich die Tröp­chen nicht wie­der zu ei­ner zu­sam­men­hän­gen­den Mas­se ver­ei­ni­gen: Es ent­steht eine Emul­si­on.

Abbildung 7: Ein Erd­öl ab­bau­en­der Bak­te­ri­en­stamm un­ter dem Mi­kro­skop bei 1500-fa­cher Ver­grö­ße­rung. Die dun­kel er­schei­nen­den Stäb­chen sind Bak­te­ri­en­zel­len. Das rund­li­che Ge­bil­de rechts ist ein Öltröpf­chen – hier er­scheint es rie­sig. Foto: Jo­han­nes Ze­de­li­us.

Wes­halb ist Ölver­schmut­zung ein Pro­blem, trotz bio­lo­gi­schen­Ab­baus?

Bei ei­ner Ölka­ta­stro­phe gibt es meh­re­re Fak­to­ren, die das Öl zum Pro­blem wer­den las­sen, ob­wohl es grund­sätz­lich durch Bak­te­ri­en ab­ge­baut wer­den kann.
1) Ein Ölun­fall be­för­dert in ei­nem Mee­res­ge­biet bin­nen kur­zer Zeit sehr gro­ße Men­gen in die Um­welt, sei es durch Aus­lau­fen ei­nes Tan­kers oder durch Aus­tritt über ein Bohr­loch aus der un­ter Druck ste­hen­den La­ger­stät­te. Eine solch plötz­li­che und mas­si­ve An­häu­fung über­trifft na­tür­li­che Erd­öl­aus­trit­te, bei de­nen sich das Erd­öl all­mäh­lich durch Ka­nä­le und Ris­se in der Ge­steins- und Schlamm­deck­schicht em­por zwängt, bei wei­tem. Die in der zu­vor noch sau­be­ren Um­welt vor­han­de­nen Bak­te­ri­en­zah­len sind viel zu ge­ring, um die Ölmas­sen ab­zu­bau­en. Ge­mes­sen an der Aus­tritts­ge­schwin­dig­keit des Öls sind auch Ver­meh­rung und Ab­bau­leis­tung der Bak­te­ri­en zu lang­sam, so be­ein­dru­ckend sie sonst auch sein mö­gen. Die Ölmas­sen brei­ten sich als brau­ne Schwimm­tep­pi­che aus, tö­ten Tie­re und ver­schmut­zen die Strän­de.
2) Erd­öl lie­fert zwar reich­lich En­er­gie für den Bak­te­ri­en­stoff­wech­sel, aber so gut wie kei­ne an­de­ren Fak­to­ren, die Le­be­we­sen auch noch be­nö­ti­gen. Den Erd­öl ab­bau­en­den Bak­te­ri­en man­gelt es an le­bens­wich­ti­gen Mi­ne­ra­li­en, vor al­lem an ge­bun­de­nem Stick­stoff (N), Phos­phor (P) und Ei­sen (Fe). Die­se sind im Meer­was­ser Man­gel­wa­re. Bei ei­nem Erd­öl-Un­glück ist das Ver­hält­nis von En­er­gie­quel­le zu le­bens­wich­ti­gen Mi­ne­ra­li­en so­mit ex­trem un­aus­ge­wo­gen. Auch kein Mensch könn­te aus­schließ­lich von Fet­ten und Koh­len­hy­dra­ten, das heißt „al­lein von En­er­gie“, le­ben.
3) Bak­te­ri­en be­nö­ti­gen als Le­bens­mi­lieu Was­ser. Sie kön­nen nicht im Erd­öl wach­sen. Also wach­sen sie dort, wo sie bei­des ha­ben, Was­ser und Erd­öl, und das ist an der Ober­flä­che des Erd­öls im Was­ser. Je grö­ßer die Ölmen­ge, des­to un­güns­ti­ger ist al­ler­dings das Ver­hält­nis der Ober­flä­che zum Vo­lu­men. Da­her käme eine fei­ne Ver­tei­lung und da­mit eine Ver­grö­ße­rung der Ober­flä­che des Erd­öls dem Bak­te­ri­en­wachs­tum und Ab­bau sehr zu­gu­te. So kam es schon vor Jahr­zehn­ten zu der Idee, mit che­mi­schen Dis­per­si­ons­mit­teln nach­zu­hel­fen. Das Wirk­prin­zip von Dis­per­si­ons­mit­teln ist ganz ähn­lich wie das von Spül- und Wasch­mit­teln: Der was­ser­ab­wei­sen­de Cha­rak­ter des Öls, sprich sei­ne Ei­gen­schaft, sich vom Was­ser ab­zu­gren­zen, wird ver­min­dert.
4) Ist das Erd­öl an Strän­den erst ein­mal durch Ver­duns­tung der leich­ten Be­stand­tei­le und Wit­te­rungs­ein­flüs­se ver­dickt, wird es durch Was­ser­be­we­gung nicht mehr zer­teilt, son­dern bil­det im Ge­gen­teil mit Sand und an­de­ren Par­ti­keln zu­sam­men­hän­gen­de teer­ähn­li­che Bal­len und La­gen. Die­se sind für ei­nen Ab­bau durch Bak­te­ri­en viel zu kom­pakt und blei­ben wahr­schein­lich über Jahr­zehn­te oder gar Jahr­hun­der­te auf und un­ter der Sand­ober­flä­che lie­gen.
5) Der Ab­bau von Erd­öl ver­zehrt Sau­er­stoff. An „frei­er Luft“ an Strän­den ist die­ses das ge­rings­te Pro­blem. Im Was­ser löst sich je­doch nur we­nig Sau­er­stoff aus der Luft, näm­lich in ei­nem Li­ter etwa 7 Mil­li­li­ter (ml), ge­rech­net als Gas. Die­ser ist schnell auf­ge­zehrt, wenn er nicht durch Wel­len­schlag, Strö­mung und Durch­mi­schung nach­ge­lie­fert wird. Der Ab­bau von nur ei­nem Trop­fen Erd­öl (0,2 ml) wür­de den Sau­er­stoff aus 80 Li­tern Meer­was­ser ver­brau­chen (Ab­bil­dung 8)! Zwar wird Erd­öl nicht in ei­nem Au­gen­blick ab­ge­baut, so dass Zeit zur Nach­lie­fe­rung von Sau­er­stoff be­steht. Doch bei ei­ner Erd­öl­ver­schmut­zung gibt es mehr als nur ei­nen Trop­fen pro 80 Li­ter Was­ser. Was­ser­tie­re kön­nen in­fol­ge Sau­er­stoff­man­gels er­sti­cken. Fer­ner wer­den dann auch plötz­lich ganz an­de­re Bak­te­ri­en ak­tiv, die ohne Sau­er­stoff le­ben und aus Sul­fat, ei­nem Meer­was­ser-Mi­ne­ral, gif­ti­gen Schwe­fel­was­ser­stoff bil­den. Die­ser ist an ei­ner Schwarz­fär­bung des Mee­res­se­di­ments zu er­ken­nen. Das Öko­sys­tem „kippt um“.




Abbildung 8: We­nig Erd­öl – gro­ßer Sau­er­stoff­ver­brauch
für den Ab­bau. Ein Trop­fen (0,2 Mil­li­li­ter) be­nö­tigt für den
Ab­bau durch Bak­te­ri­en Sau­er­stoff aus 80 Li­tern
Meer­was­ser.

Las­sen sich Bak­te­ri­en züch­ten und ein­set­zen, die be­son­der­s­ef­fi­zi­ent Erd­öl ab­bau­en?

Die Wunsch­vor­stel­lung, Ölschich­ten und Öltep­pi­che durch Be­sprü­hen mit be­son­ders ef­fi­zi­en­ten Bak­te­ri­en-Zucht­stäm­men zum Ver­schwin­den zu brin­gen, ist ver­ständ­lich. Auch Ge­dan­ken an eine gen­tech­ni­sche Kom­bi­na­ti­on meh­re­rer nütz­li­cher Ei­gen­schaf­ten in ei­nem „Su­per-Bak­te­ri­en­stamm“ mö­gen auf­kom­men. Doch sehr wahr­schein­lich wird es eine Wunsch­vor­stel­lung blei­ben. Vom über­grei­fen­den bio­lo­gi­schen Ge­sichts­punkt er­scheint ein sol­ches An­lie­gen nicht ein­mal ver­nünf­tig:
1) Es herrscht über­haupt kein Man­gel an Bak­te­ri­en­ar­ten, die ef­fi­zi­ent Erd­öl ab­bau­en. Die Ent­wick­lungs­ge­schich­te des Le­bens über vie­le hun­dert Mil­lio­nen Jah­re hat uns eine rei­ches An­ge­bot an Bak­te­ri­en­ar­ten mit der Fä­hig­keit zum Ab­bau di­ver­ser Erd­öl­be­stand­tei­le be­schert. Je nach Erd­öl­typ und Tem­pe­ra­tur am be­trof­fe­nen Stand­ort ver­meh­ren sich die ei­nen oder an­de­ren na­tür­lich vor­kom­men­den Ar­ten. Es müs­sen nur die Wachs­tums­be­din­gun­gen güns­tig sein, das heißt, dass Nähr­sal­ze vor­han­den sein müs­sen und dass das Erd­öl nicht in kom­pak­ten Mas­sen vor­lie­gen darf.
2) Erd­öl ab­bau­en­de Bak­te­ri­en wir­ken ar­beits­tei­lig im Team. Stets sind vie­le Ar­ten gleich­zei­tig ak­tiv. Die ei­nen ver­wer­ten zum Bei­spiel Al­ka­ne mit kur­zen Koh­len­stoff­ket­ten, die an­de­ren sol­che mit lan­gen Koh­len­stoff­ket­ten, und wie­der­um an­de­re Ben­zol-ähn­li­che Koh­len­was­ser­stof­fe. Das Zu­sam­men­wir­ken von Bak­te­ri­en im Team ist auch sonst ein „be­währ­tes“ Prin­zip beim na­tür­li­chen Re­cy­cling to­ter Bio­mas­se. Die Al­les-kön­nen­de Su­per-Bak­te­ri­en­art wur­de von der Na­tur nicht her­vor­ge­bracht, und wahr­schein­lich gibt es ei­nen sehr prin­zi­pi­el­len Grund da­für. Auch in un­se­rer Ge­sell­schaft fin­den wir kei­ne Per­son, die glei­cher­ma­ßen kom­pe­tent Back­wa­ren her­stellt, Haa­re schnei­det und Steu­er­er­klä­run­gen be­ar­bei­tet.
3) Die Über­le­bens­fä­hig­keit spe­zi­el­ler Zucht­stäm­me au­ßer­halb des La­bors in der Na­tur ist sehr frag­lich. Wür­de man, wie auch im­mer, durch gen­tech­ni­sche Maß­nah­men ein Bak­te­ri­um "her­stel­len", das im La­bor z.B. Erd­öl be­son­ders gut fein ver­teilt (dis­per­giert), was ja tat­säch­lich ein Vor­teil wäre, so wür­de es sich höchst wahr­schein­lich in der rau­hen Wirk­lich­keit nicht durch­set­zen.
4) Vor al­lem wäre das Pro­blem des Mi­ne­ral­man­gels nicht ge­löst. Auch ein La­bor-Zucht­stamm könn­te nicht ohne ge­bun­de­nen Stick­stoff, Phos­phat und Ei­sen wach­sen.
Ein Auf­brin­gen Erd­öl ab­bau­en­der Bak­te­ri­en­ge­mi­sche auf ver­schmutz­te Be­rei­che könn­te bes­ten­falls ei­nen klei­nen zeit­li­chen Vor­sprung bei der Ver­meh­rung am be­trof­fe­nen Stand­ort be­wir­ken, wenn die na­tür­li­chen Zah­len die­ser Bak­te­ri­en­zel­len zu Be­ginn nied­rig sind. Ge­mes­sen an der Sa­nie­rungs­dau­er ist die­ser Vor­sprung aber sehr wahr­schein­lich un­be­deu­tend.

Wel­che Maß­nah­men sind ge­eig­net?

Bei Ölun­fäl­len ist zwi­schen zwei Ar­ten von Maß­nah­men zu un­ter­schei­den, den aku­ten und den lang­fris­ti­gen.
1) Aku­te Maß­nah­men sind im­mer tech­ni­scher (phy­si­ka­li­scher) Art. Ein wei­te­rer Aus­tritt und die Aus­brei­tung des aus­ge­tre­te­nen Öls müs­sen ver­hin­dert wer­den. Öl, das die Küs­ten er­reicht hat, muss so­weit es geht ein­ge­sam­melt wer­den. Bei die­sen Maß­nah­men spie­len Bak­te­ri­en kei­ne Rol­le. Mit an­de­ren Wor­ten: mög­lichst we­nig Öl in die Um­welt!
Al­ler­dings ver­sucht man, die spä­te­re Ar­beit der Bak­te­ri­en hier schon vor­zu­be­rei­ten. Dis­per­si­ons­mit­tel sol­len be­wir­ken, dass sich das Öl in­fol­ge Wel­len­schlags in feins­te Tröpf­chen ver­teilt und nicht wie­der ver­ei­nigt. So könn­te es bes­ser von Bak­te­ri­en be­sie­delt und ab­ge­baut wer­den kann. Die Wunsch­vor­stel­lung von ei­nem Dis­per­gie­rungs­mit­tel wäre, dass die­ses un­gif­tig, preis­wert und auch selbst bio­lo­gisch ab­bau­bar ist. Es soll­te aber nicht zu schnell ab­ge­baut wer­den, denn es soll ja wir­ken, so­lan­ge die Bak­te­ri­en noch nicht die Dis­per­gie­rung über­nom­men ha­ben. Ein solch idea­les Dis­per­gie­rungs­mit­tel gibt es nicht, wes­halb die Maß­nah­me nicht un­um­strit­ten ist. Es gilt viel­mehr, zwi­schen klei­ne­rem und grö­ße­rem Übel ab­zu­wä­gen. Je nach Art und Ort des Ölun­falls ist zu klä­ren, ob das mit­tels ei­ner Che­mi­ka­lie fein ver­teil­te Öl tat­säch­lich das klei­ne­re Übel für die Le­be­welt im Was­ser ist. Es gibt auch bio­lo­gi­sche Dis­per­gie­rungs­mit­tel, die man aus Zucht­bak­te­ri­en ge­win­nen kann. Die ver­füg­ba­ren Men­gen rei­chen je­doch bei wei­tem nicht, und die Kos­ten wä­ren im­mens.
2) Lang­fris­ti­ge Maß­nah­men sind bio­lo­gi­scher Art. Sie schlie­ßen sich den tech­ni­schen Maß­nah­men an und be­ste­hen vor al­lem dar­in, den na­tür­li­chen Ab­bau durch Dün­gung mit Man­gel-Mi­ne­ral­sal­zen (Ni­trat-, Am­mo­ni­um-, Phos­phat- und Ei­sen­sal­ze) und phy­si­ka­li­sche Be­ar­bei­tung wie Lo­ckern des Un­ter­grunds zu un­ter­stüt­zen. Auf klei­nen Ex­pe­ri­men­tier­flä­chen kön­nen die Be­hand­lungs­me­tho­den zur Op­ti­mie­rung des bio­lo­gi­schen Ab­baus er­probt und dann auf grö­ße­ren Flä­chen an­ge­wen­det wer­den. Auf die­se Wei­se konn­te der Ölab­bau ge­gen­über dem auf un­be­han­del­ten Flä­chen manch­mal bis fünf­fach be­schleu­nigt wer­den. Den­noch ist es ein lang­sa­mer Pro­zess, der sich über Mo­na­te oder gar Jah­re hin­zie­hen kann. Im of­fe­nen Was­ser ist eine Dün­gung öl­ver­schmut­zer Be­rei­che schwie­rig, weil dort die Mi­ne­ral­sal­ze aus­ver­dünnt wer­den. Es gibt zwar Ver­su­che, die Mi­ne­ral­sal­ze fürs Bak­te­ri­en­wachs­tum an che­mi­sche Trä­ger zu bin­den, die eine Af­fi­ni­tät zum Öl ha­ben und so den Öltep­pich ge­zielt dün­gen; wirk­li­che Er­fol­ge gibt es je­doch noch nicht.
Fa­zit: Es gibt nicht das Pa­tent­re­zept. Wie die tech­ni­schen Maß­nah­men, so sind auch die bio­lo­gi­schen der je­wei­li­gen Si­tua­tio­nen an­zu­pas­sen. Das Fin­den des je­weils ge­eig­ne­ten Mit­tels hat auch im­mer ex­pe­ri­men­tel­len Cha­rak­ter.
3) Die bes­te Maß­nah­me bleibt die Vor­beu­gung. Was zu­nächst tri­vi­al klin­gen mag, ist ein dring­li­ches An­lie­gen. Es geht auch um den Schutz ent­le­ge­ner Be­rei­che un­se­res Pla­ne­ten, über die wir erst we­nig wis­sen, wo aber den­noch Erd­öl zu­künf­tig ab­ge­baut wer­den könn­te. Tief­see und Po­lar­re­gi­on sind tech­nisch wie auch lo­gis­tisch schwer zu er­schlie­ßen. In der Tief­see herr­schen ho­her Druck und nied­ri­ge Tem­pe­ra­tu­ren, und in Po­lar­ge­bie­ten ei­si­ge Käl­te und Man­gel an flüs­si­gem Was­ser. Wie weit und wie schnell Öl von Mi­kro­or­ga­nis­men un­ter die­sen Be­din­gun­gen ab­ge­baut wer­den kann, ist noch weit­ge­hend un­be­kannt, doch auf je­den Fall we­ni­ger ef­fek­tiv als in un­se­rer nächs­ten Um­welt. Auch das phy­si­ka­li­sche Ver­hal­ten von Öl und Gas aus tie­fen war­men Re­ser­voirs in Tie­fen beim Mi­schen mit kal­tem Was­ser un­ter ho­hem Druck ist nicht gut ver­stan­den. Un­be­kann­te Fak­to­ren ha­ben auch zu gro­ßen Pro­ble­men bei der Be­kämp­fung des Ölaus­tritts im Golf von Me­xi­ko ge­führt. In po­la­ren Ge­bie­ten wie der Ark­tis wür­den sai­so­na­le Dun­kel­heit und die Fer­ne zu Ha­fen­lo­gis­tik die Mög­lich­kei­ten, auf ei­nen Erd­öl-Un­fall prompt zu re­agie­ren, stark ein­schrän­ken.
Noch mehr Si­cher­heit stellt noch wei­te­re An­for­de­run­gen an die tech­nisch oh­ne­hin schon sehr auf­wän­di­ge und be­ein­dru­cken­de Erd­öl­för­de­rung. So wird Erd­öl noch mehr zu ei­nem Wert­stoff, der uns als täg­li­che Nut­zer zu be­wuss­te­rem Um­gang mit die­ser der­zeit im­mer noch wich­tigs­ten al­ler En­er­gie­quel­len mahnt.


© Fried­rich Wid­del, 25. Juni 2010
Leicht ge­än­dert am 01. Au­gust 2010

Rückfragen an:
Prof. Dr. Fried­rich Wid­del, fwid­del@mpi-bre­men.de
Prof. Dr. Ant­je Boe­ti­us, aboe­ti­us@mpi-bre­men.de

oder an die Pressesprecher:
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Dr. Anja Kamp, Tel.: 0421 2028 704; akamp@mpi-bre­men.de
Ar­ti­kel als PDF file
"Win­zi­ge Hel­fer ge­gen die Pest"
Ar­ti­kel von Ant­je Boe­ti­us in "For­schung", dem Wis­sen­schafts­ma­ga­zin der DFG.

Wei­te­re In­for­ma­tio­nen und Vi­de­os

Öl im Meer – wie ver­letz­lich ist die Na­tur, Deut­sche Wel­le
http://www.dw-world.de/dw/episode/0,,5620167,00.html
Bak­te­ri­en ver­til­gen Erd­öl, Ra­dio Bre­men, bu­ten un bin­nen
http://www.radiobremen.de/mediathek/index.html?id=030779
Öl be­droht das Le­ben in der Tief­see, ZDF Me­dia­thek
http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/1071056/Oel-bedroht-das-Leben-in-der-Tiefsee
Le­ben im Asphalt, DFG Sci­ence TV, Ma­rum
http://www.marum.de/DFG_Science_TV_5_Leben_im_Asphalt.html
Ex­pe­di­ti­on zum Mee­res­grund, Deut­sche Wel­le TV
http://www.marum.de/Page9105.html
ECHO-In­ter­view mit der Mi­kro­bio­lo­gin Ant­je Boe­ti­us: Ka­ta­stro­phe ohne Not­fall­plan, Echo on­line
http://www.echo-online.de/wissen/wissenschaftundtechnik/ECHO-Interview-mit-der-Mikrobiologin-Antje-Bo%EBtius-Katastrophe-ohne-Notfallplan;art478,933860
Öl bald im Golf­strom?, IFM-GEO­MAR
http://www.ifm-geomar.de/index.php?id=537&tx_ttnews[pointer]=1&tx_ttnews[tt_news]=582&tx_ttnews[backPid]=8&cHash=22faf0fe3a
Bringt der Golf­strom das Öl nach Eu­ro­pa?, n-tv.de
http://www.n-tv.de/panorama/dossier/Bringt-der-Golfstrom-das-Oel-nach-Europa-article933503.html
Die Tief­see muss ge­schützt wer­den, nach­hal­tig­keit.org
http://www.nachhaltigkeit.org/201005254823/natur-landwirtschaft/interviews/die-tiefsee-muss-geschuetzt-werden
Ölka­ta­stro­phe im Golf von Me­xi­ko, ZMT Bre­men
http://www.zmt-bremen.de/Page1424.html
Gulf Oil Blog
http://gulfblog.uga.edu/
Quarks und Co "Öl ist ihr Leib­ge­richt" 14.Sep­tem­ber 2010
http://​www.wdr.de/​tv/​quarks/​sen­dungs­bei­tra­e­ge/​2010/​0914/​004_o­el.jsp
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