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17.09.2009 Ark­ti­sche Bak­te­ri­en - man­che mö­gen es heiß

Un­ge­wöhn­lich gro­ße Men­gen an wär­me­lie­ben­den Bak­te­ri­en in der Ark­tis ge­fun­den
 
*** Embargo bis 17. September 2009, 20 Uhr MEZ ***
Presse-Mitteilung des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie


Arktische Bakterien - manche mögen es heiß
Ungewöhnlich große Mengen an wärmeliebenden Bakterien in der Arktis gefunden

Im eis­kal­ten Mee­res­bo­den vor Spitz­ber­gen ha­ben Wis­sen­schaft­ler des Bre­mer Max-Planck-In­sti­tuts für Ma­ri­ne Mi­kro­bio­lo­gie gro­ße Men­gen ther­mo­phi­ler (wär­me­lie­ben­der) Bak­te­ri­en ge­fun­den, die auf­grund ih­rer Phy­sio­lo­gie viel hö­he­re Tem­pe­ra­tu­ren be­vor­zu­gen. Die­se Ther­mo­phi­len über­dau­ern in der Ark­tis in Form von Spo­ren, die op­ti­mal ge­gen wid­ri­ge Um­welt­be­din­gun­gen ge­wapp­net sind. In La­bor­ex­pe­ri­men­ten er­wach­ten die frem­den Le­be­we­sen nach ei­nem Tem­pe­ra­tur­sprung auf 40 bis 60 Grad Cel­si­us. Die For­scher ver­mu­ten die Her­kunft der Bak­te­ri­en in wei­ter ent­fernt lie­gen­den war­men Mee­res­ge­gen­den. Die­se Ent­de­ckung könn­te da­bei hel­fen, eine der gro­ßen Hy­po­the­sen der Bio­lo­gie zu klä­ren: „Al­les ist über­all, die Um­welt wählt aus“. (Sci­ence, 18. Sep­tem­ber 2009)

Auf die Spo­ren die­ser ther­mo­phi­len Bak­te­ri­en in der Ark­tis stie­ßen die For­scher, als sie das Tem­pe­ra­tur­ver­hal­ten der käl­t­e­lie­ben­den (psy­chro­phi­len) Mi­kro­or­ga­nis­men in den eis­kal­ten Mee­res­se­di­men­te Spitz­ber­gens un­ter­such­ten. Um die mi­kro­bi­el­le Ak­ti­vi­tät zu be­stim­men, ma­ßen die Wis­sen­schaft­ler den Um­satz an mar­kier­ten Mo­le­kü­len in ei­ner be­stimm­ten Zeit­ein­heit. Als sie den Tem­pe­ra­tur­be­reich die­ser Ver­su­che von mi­nus zwei Grad auf bis zu 80 Grad er­wei­ter­ten, zeig­te sich, dass ab ei­ner Tem­pe­ra­tur von 40 Grad Cel­si­us die Ak­ti­vi­tät in den Pro­ben stark an­stieg. Ei­ni­ge der Spo­ren sind of­fen­bar zum Le­ben er­wacht.

Die­ser Be­fund bot den For­schern die ein­zig­ar­ti­ge Ge­le­gen­heit, den Trans­port der Mi­kro­or­ga­nis­men quan­ti­ta­tiv zu er­fas­sen. An­hand der Stoff­wech­sel­ak­ti­vi­tät schät­zen sie, dass bis zu 100 000 ther­mo­phi­ler Spo­ren in ei­nem Gramm ark­ti­schen Se­di­ments ent­hal­ten sind. Max-Planck-Di­rek­tor Bo Bar­ker Jør­gen­sen fin­det es sehr span­nend: „Ther­mo­phi­le Bak­te­ri­en in der Ark­tis zu fin­den, ist nicht die Sen­sa­ti­on. Neu ist un­ser Wis­sen um die rie­si­gen Men­gen und der kon­stan­te Zu­strom an Bak­te­ri­en.“ Wei­te­re Un­ter­su­chun­gen des Tie­fen­pro­fils er­ga­ben, dass jähr­lich mehr als 100 Mil­lio­nen Spo­ren je Qua­drat­me­ter Mee­res­bo­den da­zu­kom­men.
Auf 79 Grad nördlicher Breite ist es kalt. Auch während des kurzen Sommers bleiben die Berge schneebedeckt. Max-Planck-Direktor Bo Barker Jørgensen und Casey Hubert nahmen ihre Sedimentproben von Bord des Forschungsschiffes FARM an der Nordwestküste Spitzbergens. (Quelle: Kristine Barker, Andrew Steen, Joel Kostka)
Die na­he­lie­gen­de Fra­ge war, wo­her die ark­ti­schen Ther­mo­phi­len kom­men. Er­st­au­tor Ca­sey Hu­bert grenzt die Mög­lich­kei­ten ein: „Der kon­stan­te Zu­strom und die gro­ße Men­ge an Mi­kro­or­ga­nis­men deu­ten dar­auf hin, dass die­se aus ei­ner gro­ßen sau­er­stoff­frei­en Quel­le kom­men.“ Ent­spre­chen­de Trans­port­we­ge von die­sen „Hot Spots“ zum ark­ti­schen Mee­res­bo­den müs­sen exis­tie­ren. Die For­scher ver­mu­ten zir­ku­lie­ren­de Strö­mun­gen aus den Spal­ten der sich neu­bil­den­den Erd­krus­te, den Schwar­zen Rau­chern und den Hydro­ther­mal­quel­len, da die dort ge­fun­de­nen Bak­te­ri­en sehr gro­ße ge­ne­ti­sche Ähn­lich­keit mit den ark­ti­schen Ther­mo­phi­len auf­wei­sen.

Eine wei­te­re Quel­le könn­ten hei­ße Erd­öl­la­ger­stät­ten sein, aus de­nen Gas und Öl her­aus­strö­men und die dann den Mee­res­bo­den durch­bre­chen. „ Die ge­ne­ti­sche Ähn­lich­keit mit Bak­te­ri­en aus den hei­ßen Nord­see­öl­vor­kom­men sind ver­blüf­fend“, be­tont Hu­bert. Mit wei­te­ren Ex­pe­ri­men­ten und ge­ne­ti­scher Ana­ly­se wol­len die Wis­sen­schaft­ler jetzt die Quel­len or­ten. Die Spo­ren sind auch als In­di­ka­tor für bis­lang un­ent­deck­te un­ter­ir­di­sche Ölvor­kom­men nütz­lich.

Die neu­en Er­geb­nis­se ver­mit­teln den Wis­sen­schaft­lern ein bes­se­res Ver­ständ­nis für die Ent­wick­lung der Ar­ten­viel­falt und die „Sel­te­ne Bio­sphä­re“. Ver­steckt in­ner­halb der gro­ßen Mas­se von Bak­te­ri­en sind meh­re­re „Min­der­hei­ten“, die an Ort und Stel­le kei­nen mess­ba­ren Bei­trag zum Stoff­um­satz leis­ten. Mi­kro­bio­lo­gen sind im­mer noch nicht si­cher, wie Bak­te­ri­en sich aus­brei­ten und zur gro­ßen bio­lo­gi­schen Viel­falt bei­tra­gen. Die ther­mo­phi­len Spo­ren schei­nen die ent­schei­den­den Hin­wei­se zur Lö­sung die­ses Rät­sels der Bio­geo­gra­phie in sich zu tra­gen. Auch wenn sie schla­fend auf dem eis­kal­te Mee­res­grund ver­geb­lich auf wär­me­re Zei­ten war­ten.

Manfred Schlösser

Ori­gi­nal­ar­ti­kel
“A Con­stant Flux of Di­ver­se Ther­mo­phi­lic Bac­te­ria into the Cold Arc­tic Se­abed”.
Ca­sey Hu­bert, Alex­an­der Loy, Ma­ren Ni­ckel, Ca­rol Ar­nos­ti, Chris­ti­an Ba­ranyi, Vol­ker Brü­chert, Ti­mo­thy Fer­de­l­man, Kai Fins­ter, Flem­ming Møn­sted Chris­ten­sen, Jú­lia Rosa de Re­zen­de, Ve­ro­na Van­die­ken, and Bo Bar­ker Jør­gen­sen. Sci­ence 18. Sep­tem­ber 2009.


Rückfragen an


Ca­sey Hu­bert, PhD
Uni­ver­si­ty of New­cast­le, UK
ca­sey.hu­bert@new­cast­le.ac.uk
+44 191 246 4864

Prof. Dr. Bo Bar­ker Jør­gen­sen
Di­rek­tor am Max Planck In­sti­tu­te für Ma­ri­ne Mi­kro­bio­lo­gie
und Lei­ter des Cen­ter for Geo­mi­cro­bio­lo­gy
Dept. of Bio­lo­gi­cal Sci­en­ces, Aar­hus Uni­ver­si­ty
bo.bar­ker@bio­lo­gy.au.dk
+45 8942 3314

Ti­mo­thy Fer­de­l­man, PhD
Lei­ter der Ar­beits­grup­pe Bio­geo­che­mie am Max-Planck-In­sti­tut für Ma­ri­ne Mi­kro­bio­lo­gie
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Oder an die Pressesprecher

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Su­san­ne Borg­wardt sborg­war@mpi-bre­men.de

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De­part­ment of Ma­ri­ne Sci­en­ces, Uni­ver­si­ty of North Ca­ro­li­na, Cha­pel Hill, North Ca­ro­li­na 27599-3300, USA.

De­part­ment of Bio­lo­gi­cal Sci­en­ces – Mi­cro­bio­lo­gy sec­tion, Aar­hus Uni­ver­si­ty, Ny Mun­ke­ga­de, Buil­ding 1535, DK-8000 Aar­hus C, Den­mark.

Cen­ter for Geo­mi­cro­bio­lo­gy, De­part­ment of Bio­lo­gi­cal Sci­en­ces, Aar­hus Uni­ver­si­ty, Ny Mun­ke­ga­de, Buil­ding 1535, DK-8000 Aar­hus C, Den­mark.
 
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