- Presse
- Blogs und Meer
- Das Leben in der Wassersäule des Atacama-Grabens - Blogpost 4 vom 10. März 2018
Das Leben in der Wassersäule des Atacama-Grabens - Blogpost 4 vom 10. März 2018
Forschungsschiff Sonne, Chile
24° 18,16 S, 071° 27,95 W
Samtag, 10. März 2018
Mit dem Plankton-Netz in 6000 Metern Tiefe
Letzten Freitag konnten unsere Kollegen vom Millenium Institute of Oceanography (IMO) in Chile ihr speziell angefertigtes Planktonnetz, ein sogenanntes MOCNESS, einsetzen. Das schleppte die SONNE in langsamer Fahrt von zwei Knoten hinter sich her, also ungefähr mit der Geschwindigkeit eines Fußgängers.
MOCNESS steht für Multiple Opening-Closing Net and Environmental Sensing System. Es ist ein Gestell mit mehreren Plankton-Netzen, das zusätzlich mit Umweltsensoren ausgestattet ist. Dabei sind sechs Netze so übereinander an einem rechteckigen Stahlrahmen angebracht, dass jeweils nur eines geöffnet sein kann.
Wenn das MOCNESS seine Arbeitstiefe bei 6000 Metern erreicht hat, schließt sich das erste grobmaschige Netz und das erste engmaschige Planktonnetz öffnet sich. Dann beginnt das eigentliche Plankton-Fischen. Die Winde zieht das Gestell langsam in einem genau definierten Anstellwinkel nach oben. Erreicht es die gewünschte Tiefe, kann man von Bord aus das nächste Netz aktivieren. Dabei wird das vorherige Netz automatisch verschlossen. Zurück an der Oberfläche hat man in allen sechs Netzen kleine und große Lebewesen aus verschiedenen Wassertiefen gesammelt. Ziel ist es, Plankton in genau definierten Wassertiefen zu bestimmen und zu zählen.
Der Wissenschaftler Ruben Escribano vom IMO und sein Team wollen damit herausfinden, inwieweit sich die Biodiversität im Atacama-Graben je nach Schicht verändert.
“Neben dem Zooplankton fangen wir natürlich auch Schalentiere wie Shrimps und Weichtiere“, sagt Escribano. „Es ist immer spannend, wenn das Netz an Deck kommt. Dann fotografieren wir alles und bestimmen unseren Fang. Und dann geht es sofort in die Kühlung bei -80 C, um die zerbrechlichen Zellstrukturen nicht zu zerstören.” Danach heißt es, sich in Geduld zu üben, denn erst nach aufwendigen Untersuchungen in Speziallaboren an Land kann man erste Ergebnisse erhalten.
Wie bei einem Strichcode, den man von der Supermarktkasse kennt, können Forscher aus der DNA lesen, mit welcher Spezies sie es zu tun haben. Deren Stoffwechsel sagt etwas darüber aus, wie das Lebewesen Energie aus Nahrung ziehen kann. Mit weiteren Untersuchen erfahren sie, welche Enzyme aktiv und wie hoch die Konzentration von bestimmten Aminosäuren und Lipiden ist.
Man ist, was man isst
Verschiedene Nahrungsquellen hinterlassen deutliche identifizierbare Spuren in den Körperzellen der Konsumenten, die von den Forschern gelesen werden können. Die Mengenverhältnisse von natürlich vorkommenden stabilen Isotopen wie 12C/13C und 14N/15N zeigen an, wovon sich die jeweilige Spezies ernährt hat.
Die Forscher aus Chile sind Spezialisten, insgesamt gibt es weltweit nur fünf Forschergruppen, die diese Art von Tiefseeforschung betreiben. Escribano erklärt: “Das ist das zweite Mal, dass wir unser MOCNESS-System einsetzen konnten und wir sind sehr glücklich über den Teamgeist aller Forscherinnen und Forscher an Bord. Ich denke, unsere gemeinsame Expertise und unser gemeinsame Forschung wird uns helfen, die letzten Rätsel der Tiefseegräben zu lösen.“
Mit herzlichen Grüßen von Bord der Sonne,
Manfred Schlösser
Spezifische Fragestellungen dieser Forschungsreise sind:
- Welche sedimentären Prozesse liefern die Nahrung für die hadale Lebensgemeinschaft im Atacamagraben?
- Wie unterscheiden sich der Artenreichtum, die Diversität und die Gemeinschaftsstruktur von Mikroorganismen, der Meio- und Makrofauna im Atacamagraben von Gräben in weniger produktiven Regionen und nahegelegenen Tiefsee- und Schelfgebieten?
- Was sind die generellen biogeochemischen Charakteristika des Oberflächen- und Tiefensediments sowie der Wassersäule im eutrophen Atacamagraben?
- Wie genau verläuft die Mineralisierung bei der Zersetzung organischen Materials im eutrophen Atacamagraben?
- Wie effizient arbeiten die mikrobiellen Gemeinschaften unter extremen hydrostatischen Druckverhältnissen bei der Mineralisierung organischen Materials im Vergleich zu Gemeinschaften in seichteren Gefilden? Und in welchem Ausmaß beeinflussen spezialisierte, bisher unbekannte extremophile mikrobielle Gemeinschaften diese Prozesse?
Weitere Informationen
Mehr Details über das Projekt von der Süddänischen Universität.
Weiteres Bildmaterial zum Projekt.
Bericht über Ronnie N Glud bei Danmarks Radio (auf Dänisch)
Die SONNE ist ein modernes deutsches Forschungsschiff, dessen Fahrtgebiet hauptsächlich im Pazifik liegt. Die Ausfahrt SO261 läuft vom 2. März bis zum 2. April 2018.
Weitere Informationen zur SONNE finden Sie hier.