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Was im Meeresboden steckt – Blogpost 5 vom 14. März 2018
Forschungsschiff Sonne, Chile
23 Grad 21,78 S, 071 Grad 20,6 W
Mittwoch, 14. März 2018
Was im Meeresboden steckt
Kamerabilder vom Meeresboden wirken auf den ersten Blick oft nicht besonders spektakulär. Was nur wie dunkelgrauer Matsch aussieht, birgt jedoch die gesammelten Überreste vergangener Jahrhunderttausende. Denn alles, was im Meer jemals gelebt hat, hinterlässt bleibende Spuren. Dazu kommen noch die Einträge von Land, die als Staub durch die Luft oder über Küstenerosion und die Flüsse im Meer landen.
Matthias Zabel und sein Team vom Institut MARUM der Universität Bremen sind hauptsächlich an den biologischen Prozessen in den Sedimenten des Tiefseegrabens interessiert. Dabei setzen sie zwei in der Meeresforschung etablierte Probenahmegräte ein, mit denen sie die Ablagerungen am Meeresboden beproben können.
Der Multicorer für den oberen Bereich bis 40 Zentimeter
Matthias Zabels Team holt mit dem sogenannten Multicorer zwölf Sedimentkerne gleichzeitig aus der Tiefe. Sedimentkerne – das sind Plexiglasrohre, die in den Schlamm abgesenkt werden und so ein Stück Meeresboden mit an die Oberfläche bringen. Diese Kerne decken den oberen Sedimentbereich ab: Ausgehend von der Bodenwasserschicht und der obersten Sedimentschicht reichen sie bis zu einer Tiefe von 40 Zentimetern. Das hört sich einfacher an, als es ist. Matthias Zabel erklärt die Problematik: “Den Multicorer fahren wir am Stahlseil. Wichtig ist es, dass der Windenfahrer auf den letzten Metern die Geschwindigkeit reduziert, damit es eine sanfte Landung gibt. Heute sind wir bei 8066 Metern Wassertiefe. Allein das Gerät abzusenken dauerte schon über zwei Stunden. Und man muss bedenken, dass bei der Tiefe das Gerät etwas abgetrieben wird und sich jede Schiffsbewegung beim Seilzug bemerkbar macht. Da ist Fingerspitzengefühl auf den letzten Metern gefragt. An der im Windendisplay angezeigten Kabelspannung erkenne ich den Moment, an dem das Gerät aufgesetzt hat. Dann muss es schnell gehen, damit das Gerät nicht wie ein Jojo auf und nieder geht. Auf meinen Zuruf per Bordfunk fährt der Windenfahrer die Winde sofort wieder hoch. Das klappt wunderbar. Ich bin begeistert, so viele gute Kerne hatte ich noch nie auf einer Ausfahrt.“
Das Schwerelot für größere Sedimenttiefen
Kernstück des Schwerlots ist ein über ein Stahlseil geführtes, mehrere Meter langes Stahlrohr, in dem ein Kunststoff-Rohr steckt. Hinzu kommt noch ein 1,5 Tonnen schweren Gewicht, das dafür sorgt, dass sich im Idealfall das Lot senkrecht in den Meeresboden rammen lässt. Beim Hochziehen verschließt sich mechanisch ein oben angebrachtes Ventil, zusätzlich verhindert der sogenannte Kernfänger am unteren Ende, dass der Kern wieder herausrutscht. An Bord trennen die Forscher den Kern in 1 Meter lange Segmente, die anschließend sofort in die Kühlkammer bei 4 Grad kommen. „Das hier ist eine Weltpremiere“, sagt Zabel. „Auf dieser Ausfahrt haben wir die ersten langen Kerne aus dem Atacama-Tiefseegraben ziehen können.“
Hangrutschungen ergeben gradierte Schichtungen
Zabels Team bohrt anschließend seitlich in die Kerne alle 15 Zentimeter kleine Löcher, über die sie das Porenwasser mithilfe von besonderen Vakuumspritzen (Rhizonen) aus den Kernen saugen können. An den im Porenwasser gelösten Stoffen erkennt man, welche biogeochemischen Prozesse in den tiefen Ablagerungen stattfinden. Außerdem lassen sie auf die Ablagerungsgeschichte schließen. Eine genaue Altersbestimmung erfolgt mit Hilfe natürlich vorkommender, instabiler Isotope im Heimatlabor. Zabel erläutert: „Die großen Variationen in den Porenwasserdaten innerhalb eines Kerns lassen vermuten, dass die Sedimente hier noch nicht alt sind und ihre Ablagerung immer wieder unterbrochen wurde. Der Atacama-Graben liegt direkt an einer aktiven Subduktionszone und entstand dadurch, dass die pazifische Nazca-Platte sich langsam unter die Südamerikanische Platte schiebt. Das entspricht ungefähr der Geschwindigkeit, mit der unsere Fingernägel wachsen. Kontinuierlich verschwindet also älteres Sediment mit der abtauchenden Platte. Wenn sich die aufgebauten tektonischen Spannungen entlasten, rumort es. Dann können die Ablagerungen vom östlichen Grabenhang in den Graben abrutschen. Das sehen wir sehr gut an den gradierten Schichtungen in unseren Kernen. Auf vier Metern Sedimentlänge hatten wir beim letzten Kern mindestens drei Bereiche, in denen gröbere Partikel vom Festland dominieren.“
Die Einträge vom Land lassen sich gut von den Einträgen aus dem Meer unterscheiden. Eisen, Kalium, Aluminium und Silizium sind terrigen, d.h. sie stammen von Land. Komponenten aus dem Meer sind Karbonate und der größte Teile des organischen Materials. Letztgenanntes stammt aus dem Nahrungsnetz, dessen Grundlage die Biomasse der Photosynthese betreibenden Kleinstlebewesen (Phytoplanktons) in den oberen lichtdurchfluteten Wasserschichten ist.
Mikroorganismen zersetzen fast alles
Der nordwärts setzende Humboldtstrom entlang der Küste Chiles bewirkt, dass nährstoffreiches Tiefenwasser aufsteigt. Das ist wichtig für das Nahrungsnetz. Nur, wenn ausreichend Nährstoffe wie Ammonium, Nitrat, Phosphat und Metallionen wie Eisen vorhanden sind, können die photosynthetischen Algen sich vermehren und als Nahrungsgrundlage für andere Lebewesen dienen. Wenn sie absterben, sinken sie zum Meeresboden, werden dabei im Laufe des Abstiegs zersetzt zu flockigen Klumpen. Unten bilden diese Reste einen Teil des Sediments.
Aber das ist nicht das Ende ihrer Geschichte. Am und im Meeresboden ziehen andere Kleinstlebewesen Energie aus den Überbleibseln. Die Sedimentschicht wächst im Laufe der Jahrhunderte an. Von oben überdeckt neuer Nachschub kontinuierlich die früheren Schichten. In den obersten Schichten nutzen bestimmte Mikroorganismen den noch ausreichend vorhandenen Sauerstoff, der aus der Wassersäule ins Sediment eindringt. Sauerstoff ist ein effektives Oxidationsmittel. Weiter unten sind die Mikroorganismen auf alternative Oxidationsmittel wie Nitrat, Mangan, Eisen und Sulfat angewiesen. Untersucht man das Tiefenprofil dieser Stoffe, lassen sich daraus Parameter berechnen, die Aufschluss über die biologischen Aktivitäten im Sediment geben. Als Faustregel gilt, je steiler der Abfall des Profils, desto aktiver sind die jeweiligen Mikroorganismen. Sie sind dabei sehr effektiv: Übrig bleibt zum Schluss nur ungefähr 0,1% der Biomasse, die von oben herabregnete.
Der Atacama-Graben: Von Westen schiebt sich die Nazca-Platte unter die Südamerikanische Platte. Bei den tektonisch ausgelösten Hangrutschungen landet Sand aus dem Festland im Graben. Das lässt sich anhand der Tiefenprofile der Schwerelotkerne nachweisen (Diagramm links). Die östliche Grabenseite profitiert von Algenblüten. Das ist typisch für Auftriebsgebiete. Hier steigt nährstoffreiches Tiefenwasser nach oben und kurbelt die Biomasseproduktion an. Im rechten Schema sind die ungewöhnlich steilen Sedimentprofile von Sauerstoff und anderen Stoffen im Sediment gezeigt. Diese zeugen von der sehr hohen Bioaktivität des Grabens.
(Zeichnung: M. Schlösser)
Das Team von Matthias Zabel
Spezifische Fragestellungen dieser Forschungsreise sind:
- Welche sedimentären Prozesse liefern die Nahrung für die hadale Lebensgemeinschaft im Atacamagraben?
- Wie unterscheiden sich der Artenreichtum, die Diversität und die Gemeinschaftsstruktur von Mikroorganismen, der Meio- und Makrofauna im Atacamagraben von Gräben in weniger produktiven Regionen und nahegelegenen Tiefsee- und Schelfgebieten?
- Was sind die generellen biogeochemischen Charakteristika des Oberflächen- und Tiefensediments sowie der Wassersäule im eutrophen Atacamagraben?
- Wie genau verläuft die Mineralisierung bei der Zersetzung organischen Materials im eutrophen Atacamagraben?
- Wie effizient arbeiten die mikrobiellen Gemeinschaften unter extremen hydrostatischen Druckverhältnissen bei der Mineralisierung organischen Materials im Vergleich zu Gemeinschaften in seichteren Gefilden? Und in welchem Ausmaß beeinflussen spezialisierte, bisher unbekannte extremophile mikrobielle Gemeinschaften diese Prozesse?
Weitere Informationen
Mehr Details über das Projekt von der Süddänischen Universität.
Weiteres Bildmaterial zum Projekt.
Bericht über Ronnie N Glud bei Danmarks Radio (auf Dänisch)
Die SONNE ist ein modernes deutsches Forschungsschiff, dessen Fahrtgebiet hauptsächlich im Pazifik liegt. Die Ausfahrt SO261 läuft vom 2. März bis zum 2. April 2018.
Weitere Informationen zur SONNE finden Sie hier.