- Presse
- Blogs und Meer
- Organischer Kohlenstoff im Atacama-Graben – Blogpost 8 vom 27. März 2018
Organischer Kohlenstoff im Atacama-Graben – Blogpost 8 vom 27. März 2018
Forschungsschiff Sonne, Chile
27. März 2018
Das Forschungsschiff Sonne ist auf dem Weg zu den letzten Probenahmestellen. Heute Morgen war der Himmel bedeckt, die Temperaturen lagen um 20 Grad Celsius. Wir liegen etwa 60 Seemeilen nordwestlich der chilenischen Stadt Antofagasta und gerade ist unsere Hadal-CTD-Rosette ist wieder an Deck, nach dem sie Bodenwasser in 7700 Meter Tiefe gesammelt hat. Jetzt stehen die Wissenschaftler Schlange, um ihre Wasserproben zu entnehmen.
Proben aus dem Atacama-Graben
Die Ozeane sind voller Leben. In jedem Liter Meerwasser leben etwa eine Milliarde Mikroben. Tief unten im Tiefseegraben ist es etwas weniger, aber immerhin noch zehn Millionen. Wissenschaftler berechneten, dass alle gelösten organischen Stoffe im Meer eine ähnliche Menge an Kohlenstoff enthalten wie alle Biomasse an Land. Für Tiefseegräben ist es noch ein ungelöstes Rätsel, woher dieser organische Kohlenstoff stammt. Wissenschaftler an Bord der Sonne haben herausgefunden, dass die Sedimente des Tiefsee-Atacama-Grabens sehr aktiv sind. Diese Aktivität spiegelt sich im steilen Sauerstoffprofil in den oberen Teilen der Sedimente wider. Mikroben, die organische Stoffe abbauen, verbrauchen Sauerstoff, der aus der Wassersäule in die Sedimente eingedrungen ist.
Das Nahrungsnetz
Im oberen Teil der Wassersäule ist Licht, die Energiequelle für die Kohlenstofffixierung in der Photosynthese. Im Gegensatz zu Pflanzen, die dazu Kohlendioxid aus der Luft verwenden, verwenden marine autotrophe Lebewesen wie Algen gelöstes Bicarbonat - das ist die ionisierte Form des Kohlendioxids - als Kohlenstoffquelle. Dies ist der Ausgangspunkt der Nahrungskette, denn dieser fixierte Kohlenstoff trägt zur Biomasse bei. Wenn die Bedingungen günstig sind, d.h. Licht und Nährstoffe vorhanden sind, beginnen Algen im Wasser zu wachsen. Wenn diese Algenblüten abklingen, sterben die Zellen ab und die toten Zellen sinken zum Meeresboden. Auf dem langen Weg nach unten tun sich andere Mikroorganismen daran gütlich und zersetzen den größten Teil der Biomasse. Diese Mikroben nehmen die aus den toten Zellen austretenden Substanzen als Quelle für Kohlenstoff, Energie und Nährstoffe. Sie werden „Heterotrophe“ genannt und sind das Forschungsgebiet von Logan Peoples von der Scripps Institution of Oceanography in San Diego.
Logan Peoples untersucht die In-vivo-De-novo-Synthese von Proteinen unter dem hohen Druck von 800 bar in 8000 Metern Tiefe, um die Umsatzraten zu berechnen. Er möchte herausfinden, wie schnell heterotrophe Mikroorganismen neue Proteine produzieren können und wie hoch der Einfluss des Wasserdrucks auf diese Geschwindigkeit ist.
Sein Experiment sieht folgendermaßen aus: Es besteht aus einem Stahlzylinder, der Bodenwasser in einer bestimmten Tiefe sammelt. Der Zylinder ist ausgestattet mit Ventilen und einer Vorrichtung zum Injizieren von Tracermolekülen. Mikroorganismen im Bodenwasser des Atacama-Grabens sind an die 800 Bar in 8000 Metern Tiefe angepasst. Wenn sich die Ventile öffnen, tritt das Bodenwasser in den Zylinder ein, und die darin enthaltenen Mikroben werden mit einer speziell markierten Aminosäure gefüttert. Wenn sie anfangen zu wachsen, bauen sie diese Fluoreszenzmarkierung in neu synthetisierte mikrobielle Proteine ein. Am Ende des Experiments landen die Mikroben auf einem Filter. Zählt man die markierten Zellen unter einem Fluoreszenzmikroskop, kann man die Syntheserate berechnen. In der Theorie müssten die Syntheseraten in den Tiefen der Hadalumgebung signifikant erhöht gegenüber niedrigen Drucken sein. Logan Peoples’ Ziel ist es, den Einfluss des Drucks auf mikrobielle Gemeinschaften zu erforschen.
Wie man den Weg der Teilchen durch die Wassersäule verfolgen kann - natürlich vorkommende radioaktive Substanzen als Marker
Wie schon in einem früheren Beitrag erwähnt, klumpen die Reste von toten Zellen zusammen und bilden Aggregate, die Schneeflocken ähneln. Dieser Meeresschnee erreicht schließlich den Meeresboden und dient als Nahrungsquelle für andere Mikroben im Sediment. Wie schnell dieser vertikale Teilchentransport ist, kann mithilfe natürlich vorkommender Isotope in der Wassersäule berechnet werden.
Diese Isotope sind in extrem niedrigen Konzentrationen vorhanden. Sie stammen nicht von Atomreaktoren, aus Unfällen oder Leckagen, sondern sind schon immer Teil der Natur auf der Erde gewesen. Es ist bekannt, dass im Meerwasser immer eine konstant niedrige Konzentration an 238Uran vorliegt. Wenn es zerfällt, entsteht 234Thorium, das dann stark an Partikel wie den Meeresschnee bindet. Seine Halbwertszeit beträgt nur 24,1 Tage. Wenn diese Teilchen mit dem gebundenen Thorium sedimentieren, entfernen sie folglich fortwährend 234Thorium aus der Wassersäule und fügen 234Thorium dem Sediment hinzu. Daher sind die Konzentrationsverhältnisse von Thorium zu Uran in den Sedimenten und der Wassersäule ein guter Indikator für den Partikelfluss in der Wassersäule. Dieser vertikale Partikelfluss kann jedoch durch Unterwassergeographie beeinflusst werden, da Klippen und Gräben als hydrodynamische Hindernisse lokale Gezeitenströme verursachen können.
Robert Turnewitsch von der Scottish Association for Marine Science (SAMS) untersucht diese Prozesse seit über zehn Jahren und war Teilnehmer an mehreren anderen wissenschaftlicher Expeditionen zu Tiefseegräben, beispielsweise dem Tonga-Graben. Er sagt: "Aus anderen Tiefseegräben wissen wir, wie ungewöhnlich aktiv sie sind. Hier auf dieser Expedition in den Atacama-Graben bekommen wir sehr gute Kerne vom Meeresboden. Ich schneide die Kerne in Segmente. Dann extrahiere ich das radioaktive Material. Dies mache ich auch mit Wassersäulenproben. Aber ich muss mich in Geduld üben. Um die verschiedenen Isotope mit unterschiedlichen Halbwertszeiten unterscheiden zu können, muss ich die niedrige Strahlung in meinen Proben über ein paar Monate verfolgen. Sind die kurzlebigen Isotope zerfallen, kann ich die einzelnen Konzentrationen berechnen. Wir werden die endgültigen Ergebnisse also erst in ein paar Monaten erhalten. "
Sein japanischer Kollege Kazumasa Oguri von JAMSTEC verwendet ein anderes natürlich vorkommendes radioaktives Isotop. 210Pb bzw. Blei ist ebenfalls überall in geringer Konzentration vorhanden. Seine Konzentration ist aber ausreichend, um die Geschichte des Meeresbodens zu studieren. Dieses Blei lagert sich an sedimentierende Partikeln an und landet so auf dem Meeresboden. Es zerfällt mit einer Halbwertszeit von 22,3 Jahren. Betrachtet man das Tiefenprofil verschiedener Standorte des Atacama-Grabens, wird die unterschiedliche Sedimentationsgeschichte sichtbar.
Kazumasa Oguri sagt: "Mit unserer Methode sehen wir, was im Sediment passiert ist. Manchmal verändern dort lebende Tiere aufgrund von Bioturbation die Tiefenprofile von Blei. Wenn sie Gänge bauen, durchmischen sie das Sediment. Dadurch misst man in diesen Bioturbationszonen einen konstanten Gehalt an Blei. Nur unterhalb dieser Zonen beobachten wir eine Abnahme des Bleiprofils in Abhängigkeit von seinem radioaktiven Zerfall. Auch sehen wir, welche Spuren unterseeische Erdrutsche im Profil hinterlassen haben. Dabei haben wir gesehen, dass die Profile ähnlich wie bei der Bioturbation verändert wurden. Hier im Atacama-Graben wollen wir dokumentieren, wo Sedimente von den Schultern des Grabens abgerutscht sind." Für seine Forschung brachte Kazumasa Oguri mehrere hochauflösende Unterwasserkameras mit, um sich einen Eindruck von der Meeresboden-Topographie zu verschaffen.
Chemosynthese statt Photosynthese
Unterhalb der photischen Zone können Lebewesen kein Licht zur Fixierung von Kohlenstoff verwenden. Anstelle der Photosynthese verwenden bestimmte Archaeen und andere Bakterien die in chemischen Verbindungen gespeicherte Energie (z.B. Ammoniak, eine reduzierte Stickstoffverbindung), um Kohlenstoff zu fixieren. Wie viel diese Chemosynthese zum gesamten organischen Kohlenstoffeintrag in das Grabensystem beiträgt, ist die wissenschaftliche Frage unserer Kollegin XinXin Li von der Southern University of Science and Technology in China. Die Biomasse aus der Chemosynthese wird auch zum Teil wieder veratmet. In welchem Ausmaß dies geschieht, ist noch nicht bekannt. Daher ist es von wissenschaftlichem Interesse, auch diese Kohlenstoffbilanz zu berechnen.
Was mit den wissenschaftlichen Ergebnisse dieser Expedition passiert
Alle während der Expedition gesammelten Daten werden in öffentlich zugänglichen wissenschaftlichen Zeitschriften und Datenbanken veröffentlicht.
Grüße von der Crew und der wissenschaftlichen Crew von So261,
Manfred Schlösser
Spezifische Fragestellungen dieser Forschungsreise sind:
- Welche sedimentären Prozesse liefern die Nahrung für die hadale Lebensgemeinschaft im Atacamagraben?
- Wie unterscheiden sich der Artenreichtum, die Diversität und die Gemeinschaftsstruktur von Mikroorganismen, der Meio- und Makrofauna im Atacamagraben von Gräben in weniger produktiven Regionen und nahegelegenen Tiefsee- und Schelfgebieten?
- Was sind die generellen biogeochemischen Charakteristika des Oberflächen- und Tiefensediments sowie der Wassersäule im eutrophen Atacamagraben?
- Wie genau verläuft die Mineralisierung bei der Zersetzung organischen Materials im eutrophen Atacamagraben?
- Wie effizient arbeiten die mikrobiellen Gemeinschaften unter extremen hydrostatischen Druckverhältnissen bei der Mineralisierung organischen Materials im Vergleich zu Gemeinschaften in seichteren Gefilden? Und in welchem Ausmaß beeinflussen spezialisierte, bisher unbekannte extremophile mikrobielle Gemeinschaften diese Prozesse?
Weitere Informationen
Mehr Details über das Projekt von der Süddänischen Universität.
Weiteres Bildmaterial zum Projekt.
Bericht über Ronnie N Glud bei Danmarks Radio (auf Dänisch)
Die SONNE ist ein modernes deutsches Forschungsschiff, dessen Fahrtgebiet hauptsächlich im Pazifik liegt. Die Ausfahrt SO261 läuft vom 2. März bis zum 2. April 2018.
Weitere Informationen zur SONNE finden Sie hier.