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26.03.2012 Che­mi­sche Mi­kro­gra­di­en­ten be­schleu­ni­gen Ko­ral­lenster­ben am Gre­at Bar­ri­er Reef

Sau­er­stoff­ar­mut und gif­ti­ger Schwe­fel­was­ser­stoff be­dro­hen Ko­ral­len­ge­we­be
 
Mar­tin Glas vom Max-Planck-In­sti­tut für Ma­ri­ne Mi­kro­bio­lo­gie hat mit sei­nen aus­tra­li­schen Kol­le­gen eine wei­te­re Ur­sa­chen für das zu­neh­men­de Ko­ral­lenster­ben in den tro­pi­schen Ko­ral­len­rif­fen ge­fun­den. Die For­scher un­ter­such­ten dazu Ko­ral­len vom Gre­at Bar­ri­er Reef in Aus­tra­li­en, die von der Krank­heit Black Band Disease (BBD) be­fal­len wa­ren. Bei die­ser Krank­heit stirbt das Ko­ral­len­ge­we­be nach und nach ab, das nack­te Kalk­ge­rüst bleibt zu­rück. In­fi­zier­te Ko­ral­len zei­gen eine cha­rak­te­ris­ti­sche Ober­flä­chen­struk­tur: Das ge­sun­de Ge­we­be wird von ei­ner dunk­len Front, dem so­ge­nann­ten „Black Band“ ver­drängt (Ab­bil­dung 1). Jen­seits da­von ist das wei­ße Kalk­ske­lett sicht­bar (Ab­bil­dung 2). Die dunk­le Front ist meist ein bis zwei Zen­ti­me­ter breit und wird von ei­ner ei­ner spe­zi­el­len mi­kro­bi­el­len Ge­mein­schaft ge­bil­det, dar­un­ter pho­to­tro­phe Cya­no­bak­te­ri­en, schwe­fel­oxi­die­ren­de Bak­te­ri­en und sul­fat­re­du­zie­ren­de Mi­kro­or­ga­nis­men. „Un­se­re Mes­sun­gen zei­gen, dass sich die BBD in den Som­mer­mo­na­ten mit bis zu ei­nem Zen­ti­me­ter am Tag aus­brei­ten kann. Bei die­ser Ge­schwin­dig­keit kön­nen in we­ni­gen Mo­na­ten gan­ze Ko­ral­len­stö­cke ab­ster­ben und die Ar­ten im Riff stark de­zi­miert wer­den“, sagt Mar­tin Glas vom Max-Planck-In­sti­tut in Bre­men.
Ab­bil­dung 1: Die dunk­le Front der BBD be­wegt sich in Rich­tung des ge­sun­den Ge­we­bes und hin­ter­lässt das tote Ko­ral­lenske­lett. In der BBD-Zone herr­schen sul­fi­di­sche (+ H2S) und an­oxi­sche (- O2) Be­din­gun­gen, die für den Zell­tod des Ko­ral­len­ge­we­bes ver­ant­wort­lich sind. Gra­fik: M. Glas/​R Dun­ker
Die For­scher un­ter­such­ten die Ge­we­be­lä­sio­nen mit Mi­kro­sen­so­ren für Sau­er­stoff, Schwe­fel­was­ser­stoff, auch Sul­fid ge­nannt und pH. Die­se Mi­kro­son­den ha­ben Spit­zen­durch­mes­ser im Mi­kro­me­ter­be­reich, mit de­nen die For­scher hoch­auf­lö­sen­de Tie­fen­pro­fi­le im Ko­ral­len­ge­we­be mes­sen konn­ten. Da­mit konn­ten sie gro­ße Un­ter­schie­de zwi­schen Ge­we­be, dass mit der BBD be­fal­len ist und sol­chem, das sich erst im Vor­sta­di­um der Krank­heit be­fin­det, fest­stel­len: „In kran­kem Ko­ral­len­ge­we­be bil­den sich zwei Zo­nen aus: Oben eine pho­to­tro­phe Zone, in der die Cya­no­bak­te­ri­en Sau­er­stoff pro­du­zie­ren, und eine un­te­re sau­er­stoff­freie Zone, wo Bak­te­ri­en das ab­ge­stor­be­ne Ko­ral­len­ge­we­be ab­bau­en und da­bei gif­ti­ger Schwe­fel­was­ser­stoff ent­steht,“ er­klärt Mar­tin Glas die Mess­er­geb­nis­se (Ab­bil­dung 3). „Bei leich­ter be­fal­le­nem Ge­we­be ist die­se Zo­nie­rung nicht an­näh­rend so stark. Schwe­fel­was­ser­stoff konn­ten wir meist nicht mes­sen, und Sau­er­stoff dringt tief in die Bak­te­ri­en­mat­te ein“.
Ab­bil­dung 2: Die­se Ko­ral­le im Gre­at Bar­ri­er Reef ist stark mit der Black Band Di­sea­se be­fal­len. Un­ten ist das wei­ße Kalk­ske­lett sicht­bar, im obe­ren Be­reich ist das Ko­ral­len­ge­we­be noch in­takt. Die BBD-Zone ist deut­lich als schwar­zer Strei­fen zu er­ken­nen. Foto: Y. Sato
Die Ko­ral­len und de­ren en­do­sym­bi­on­ti­sche Al­gen trifft gleich drei­fa­cher Stress: gif­ti­ger Schwe­fel­was­ser­stoff, Sau­er­stoff­man­gel und ein nied­ri­ger pH-Wert in dem Be­reich, wo die Bak­te­ri­en­mat­te an das Ko­ral­len­ge­we­be grenzt. An der vor­de­ren Front der dunk­len Zone sind die Be­din­gun­gen be­son­ders schäd­lich für die Ko­ral­len. Durch die er­höh­te Sul­fidkon­zen­tra­ti­on im Be­reich des ab­ster­ben­den Ge­we­bes und den da­durch ent­ste­hen­den Sau­er­stoff­man­gel kann sich die Ge­we­be­lä­si­on auf um­lie­gen­des, ge­sun­des Ge­we­be aus­wei­ten; eine po­si­ti­ve Rück­kopp­lung also, die für die schnel­le Aus­wei­tung der BBD sorgt.
Ab­bil­dung 3: Der Schnitt durch die mi­kro­bi­el­le Mat­te über dem Ko­ral­len­ge­we­be zeigt den Licht­ein­fall in die Mat­te und die da­mit ver­bun­de­ne Sau­er­stoff­pro­duk­ti­on der Cya­no­bak­te­ri­en. Aus dem ab­ster­ben­den Ko­ral­len­ge­we­be wird or­ga­ni­scher Koh­len­stoff, der von den Sul­fat­re­du­zie­rern ge­nutzt wird, und Schwe­fel­was­ser­stoff frei. Die Ge­we­be­lä­si­on der Ko­ral­len ist so­mit ein sich selbst ver­stär­ken­der Pro­zess. Gra­fik: M. Glas/​R. Dun­ker
„Wir ver­mu­ten, dass die bio­geo­che­mi­schen Be­din­gun­gen an der Ober­flä­che des Ko­ral­len­ge­we­bes ver­ant­wort­lich für die schnel­le Aus­brei­tung sind. Je hö­her die Schwe­fel­was­ser­stoff­kon­zen­tra­ti­on und je we­ni­ger Sau­er­stoff, des­to schnel­ler brei­tet sich die dunk­le Front aus“, stellt Mar­tin Glas die Ur­sa­che für das Ent­ste­hen und die hohe Vi­ru­lenz der BBD dar. Bis­her ha­ben die For­scher je­den­falls noch kei­nen pa­tho­ge­nen Keim iden­ti­fi­zie­ren kön­nen, der für den Ge­we­be­tod der Ko­ral­len ver­ant­wort­lich sein könn­te.

Da­vid Bourne vom Aus­tra­li­an In­sti­tu­te of Ma­ri­ne Sci­ence in Towns­vil­le und sein Kol­le­ge Yui Sato füh­ren seit meh­re­ren Jah­ren Mo­ni­to­ring­pro­gram­me über den Zu­stand der Ko­ral­len­rif­fe durch, wo­bei sie auch die Ko­ral­len­krank­hei­ten im Gre­at Bar­ri­er Reef un­ter­su­chen. Da­vid Bourne sagt: „Die BBD ist eine der ver­mut­lich häu­figs­ten Krank­hei­ten in tro­pi­schen Rif­fen. Die Haupt­ur­sa­che sind sai­so­nal be­ding­te hohe Was­ser­tem­pe­ra­tur“. So ist die BBD mitt­ler­wei­le in al­len tro­pi­schen Rif­fen, be­son­ders aber in der Ka­ri­bik ver­brei­tet.

Gibt es noch Ret­tung für die Rif­fe? „Wenn die Tem­pe­ra­tu­ren im Win­ter sin­ken sta­gniert die BBD. Im­mer häu­fi­ger al­ler­dings bricht die Krank­heit im nächs­ten Jahr er­neut aus. Das nack­te Ko­ral­lenske­lett kann wie­der von neu­en Po­ly­pen über­wach­sen wer­den, das dau­ert al­ler­dings Jah­re“, so Yui Sato von der Ja­mes Cook Uni­ver­si­ty.

Rita Dun­ker

Rückfragen an

Mar­tin Glas mglas@mpi-bre­men.de
Dr. Da­vid Bourne d.bourne@aims.gov.au

Oder an die Pres­se­spre­cher

Dr. Rita Dun­ker rdun­ker@mpi-bre­men.de
Dr. Man­fred Schlös­ser mschloes@mpi-bre­men.de

Originalarbeit

Bio­geo­che­mi­cal con­di­ti­ons de­ter­mi­ne vi­ru­lence of black band di­sea­se in co­rals, 2012. M. S. Glas, Y. Sato, K. E. Uls­trup, and D. G. Bourne. The ISME Jour­nal, ad­van­ce on­line pu­bli­ca­ti­on.

DOI: 10.1038/​is­mej.2012.2

Beteiligte Institute

Max-Planck-In­sti­tut für Ma­ri­ne Mi­kro­bio­lo­gie, Bre­men

Cent­re of Mi­cro­bio­lo­gy and Ge­ne­tics, Aus­tra­li­an In­sti­tu­te of Ma­ri­ne Sci­ence, Towns­vil­le, Aus­tra­li­en

ARC Cent­re of Ex­cel­lence for Co­ral Reef Stu­dies and School of Ma­ri­ne and Tro­pi­cal Bio­lo­gy, Ja­mes Cook Uni­ver­si­ty, Towns­vil­le, Aus­tra­li­en

Aus­tra­li­an In­sti­tu­te of Ma­ri­ne Sci­ence (AIMS), Ja­mes Cook Uni­ver­si­ty, Towns­vil­le, Aus­tra­li­en

DHI Wa­ter and En­vi­ron­ment, West Perth, Aus­tra­li­en
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