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„Dunk­le En­er­gie“ in der Tief­see

Sym­bi­on­ten er­mög­li­chen das Le­ben fern­ab vom Son­nen­licht
 
„Dunkle Energie“ in der Tiefsee
Symbionten ermöglichen das Leben fernab vom Sonnenlicht


Al­les Le­ben auf der Erde und im Meer hängt vom Licht der Son­ne ab – so je­den­falls ha­ben es die meis­ten noch in der Schu­le ge­lernt. Doch in­zwi­schen ist klar, dass auch in meh­re­ren tau­send Me­tern Was­ser­tie­fe und so­mit fern­ab vom Son­nen­licht noch Le­ben exis­tiert. Die Mi­kro­or­ga­nis­men er­näh­ren sich im Dun­keln von en­er­gie­rei­chen Stof­fen, die aus dem Erd­in­ne­ren strö­men. Mög­lich ma­chen dies sym­bio­ti­sche Bak­te­ri­en, die Me­than und Sul­fi­de oxi­die­ren und die­se so­mit als Nähr­stof­fe nutz­bar ma­chen.
Über wei­te Stre­cken er­scheint der Bo­den der Tief­see wie eine Wüs­te, denn nur sehr we­nig Bio­mas­se kommt von den obe­ren Schich­ten des Oze­ans her­ab. Umso mehr wa­ren die Mee­res­for­scher über­rascht, als sie vor fast ge­nau 30 Jah­ren vor den Ga­la­pa­gos-In­seln die ers­ten Hydro­ther­mal­quel­len mit ih­ren au­ßer­ge­wöhn­li­chen Le­bens­for­men in 2.500 Me­ter Was­ser­tie­fe ent­deck­ten. So tief reicht kein Son­nen­strahl. Fast 400 Grad hei­ßes Was­ser strömt dort aus ka­minar­ti­gen Schlo­ten und bringt da­bei Mi­ne­ra­li­en und Nähr­stof­fe mit. Vie­le die­ser Mi­ne­ra­li­en fal­len aus und for­men me­ter­ho­he Schlo­te. Die schwar­ze Far­be der Rauch­fah­ne rührt vom aus­ge­fäll­ten Ei­sen­sul­fid her und gibt die­sen Schlo­ten den tref­fen­den Na­men „Schwar­zer Rau­cher“.

Rätselhaftes Tiefseeleben
Die Wis­sen­schaft­ler zo­gen Bi­lanz und ka­men zu ei­nem über­ra­schen­den Er­geb­nis: Ein gan­zer Zoo an exo­ti­schen Le­be­we­sen hat­te sich dort an­ge­sie­delt. Aber wo­von er­näh­ren sich die­se Or­ga­nis­men? Dort un­ten gibt es schließ­lich kei­ne pho­to­syn­the­ti­schen Or­ga­nis­men, die Bio­mas­se pro­du­zie­ren könn­ten. Den Le­be­we­sen bleibt nur eine Nah­rungs­quel­le zur Ver­fü­gung, sie müs­sen ihre ge­sam­te En­er­gie und Nähr­stof­fe aus dem zie­hen, was die Hydro­ther­mal­quel­len lie­fern: Schwe­fel­was­ser­stoff, Sul­fi­de und an­de­re Sal­ze von Ei­sen, Man­gan und Kup­fer, so­wie Me­than, Stick­stoff- und Phos­phor­ver­bin­dun­gen.

Be­son­ders be­mer­kens­wert sind die hoch ent­wi­ckel­ten Le­be­we­sen wie Schne­cken, Mu­scheln und Röh­ren­wür­mer, die dort in gro­ßer Zahl le­ben. Im Ge­gen­satz zu ih­ren Vet­tern im Flach­was­ser ha­ben sie ih­ren Darm­trakt er­heb­lich re­du­ziert; die me­ter­lan­gen Röh­ren­wür­mer ha­ben so­gar we­der Mund noch Darm­aus­gang. Erst die mi­kro­bio­lo­gi­sche Un­ter­su­chung brach­te es an den Tag. In ih­rem In­ne­ren sie­deln be­son­de­re Mi­kro­or­ga­nis­men, die das von den Hydro­ther­mal­quel­len kom­men­de Me­than oder Sul­fid en­er­ge­tisch nut­zen kön­nen und ih­ren je­wei­li­gen Wirt ver­sor­gen. Nur dank die­ser Sym­bio­se mit den Me­than oxi­die­ren­den und Sul­fid oxi­die­ren­den Bak­te­ri­en kön­nen die­se Tie­re dort le­ben.
Black Smoker (Marum, Bremen)
Outsourcing: Kein Mund, kein Darm, dafür Symbionten
Die­se Sym­bio­sen sind je­doch kei­ne al­lei­ni­ge Spe­zia­li­tät der Tief­see­be­woh­ner. Als man in den 80i­ger Jah­ren be­gann, die Sym­bio­sen in der Tief­see zu ana­ly­sie­ren, schau­ten auch an­de­re For­scher ge­nau­er hin und wur­den in fla­chen Küs­ten­sedi­men­ten fün­dig. So be­schäf­tigt sich am Bre­mer Max-Planck-In­sti­tut für ma­ri­ne Mi­kro­bio­lo­gie die Arbeitsgruppe Symbiose un­ter Lei­tung von Frau Dr. Nicole Dubilier in­ten­siv mit den ver­schie­de­nen Sym­bi­ont-Wirts-Be­zie­hun­gen. Dr. Du­bi­lier ist Ex­per­tin für ei­nen na­hen Ver­wand­ten des Re­gen­wurms. Die­se darm­lo­sen Oli­gochae­ten le­ben in Flach­was­ser­se­di­men­ten und ha­ben es im Lau­fe ih­rer Ent­wick­lung ge­schafft, sich dank mi­kro­bi­el­ler Sym­bi­on­ten ih­res Ver­dau­ungs- und Aus­schei­dungs­trakt zu ent­le­di­gen.

Mit Genomik dem Geheimnis auf der Spur
Mit her­kömm­li­chen Kul­ti­vie­rungs­tech­ni­ken konn­ten die Mi­kro­or­ga­nis­men je­doch nicht un­ter­sucht wer­den, denn sie sind un­trenn­bar mit ih­rem Wirt ver­bun­den. Erst die Ana­ly­se der ri­bo­so­ma­len 16S RNA als Mar­ker führ­te zum Ziel. Hat man die­se RNA-Se­quen­zen, kann man mit far­big mar­kier­ten Son­den die ver­schie­de­nen Sym­bi­on­ten­zel­len im Wirts­ge­we­be an­fär­ben und un­ter­schei­den. Erst die­se so ge­nann­te Fluo­res­zenz-in situ-Hy­bri­di­sie­rung (FISH) brach­te den wis­sen­schaft­li­chen Durch­bruch.

Die Mo­le­ku­lar­bio­lo­gen ver­folg­ten aber noch ei­nen wei­te­ren neu­en Weg – die Me­ta­ge­no­mik. Hier­bei iso­lier­ten die For­scher zu­erst die Ge­samt-Erb­sub­stanz, also ein Ge­misch aus Wirts- und Sym­bi­on­ten-DNA, zer­klei­ner­ten die­se an­schlie­ßend und klo­nier­ten die­se Bruch­stü­cke in be­son­de­re Klo­nie­rungs­vek­to­ren. Mit ei­nem neu ent­wi­ckel­ten ma­the­ma­ti­schen Al­go­rith­mus ver­gli­chen die Wis­sen­schaft­ler um Ni­co­le Du­bi­lier dann die Häu­fig­keit der „Buch­sta­ben“ der vier DNA Bau­stei­ne G, A, T und C in den Se­quen­zen und konn­ten die­se den ver­schie­de­nen Or­ga­nis­men zu­ord­nen. Die Über­ra­schung war groß, als die For­scher mit die­sem An­satz vier ver­schie­de­ne Ar­ten von Mi­kro­or­ga­nis­men in dem Oli­gochae­ten nach­wei­sen konn­ten. Mit den re­kon­stru­ier­ten Ge­no­men fan­den sie her­aus, wie die­se Mi­kro­or­ga­nis­men sich ge­gen­sei­tig und den Wirts­stoff­wech­sel be­ein­flus­sen.
Bathymodiolus
Die Tiefseemuschel Bathymodiolus unter dem Mikroskop. Mit den spezifischen Sonden lassen sich die Methanotrophen (links) und die Methylotrophen im Kiemengewebe der Muschel nachweisen. © Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie
Quest (Marum)
QUEST - Mul­ti­ta­lent der Tief­see © RCOM
Tiefsee-Quellen im Visier

Jetzt will Dr. Du­bi­lier die­se Me­tho­dik auch auf die Tief­see­be­woh­ner an den Hydro­ther­mal­quel­len an­wen­den. Ihre Grup­pe un­ter­sucht im Rah­men des von der Deut­schen For­schungs­ge­mein­schaft (DFG) ge­för­der­ten Schwer­punkt­pro­gramms SPP1144 die Le­bens­ge­mein­schaf­ten in der Tief­see. Im Ge­gen­satz zum Flach­was­ser ist die Pro­ben­nah­me in meh­re­ren tau­send Me­ter Tie­fe al­ler­dings eine gro­ße Her­aus­for­de­rung. Un­be­mann­te fern­ge­steu­er­te Ro­bo­ter lie­fern per Da­ten­ka­bel die Bil­der in den Kon­troll­raum an Bord des For­schungs­schiffs. Dort sit­zen die For­scher und Tech­ni­ker vor den Mo­ni­to­ren. Per Joy­stick steu­ern sie die Greif­ar­me um Mess­ge­rä­te ziel­ge­nau ab­zu­set­zen und um die Pro­ben zu neh­men. Bis­her konn­ten sie an fünf ver­schie­de­nen Tief­see­stand­or­ten die Mu­schel Ba­thy­mo­dio­lus un­ter­su­chen.

Ni­co­le Du­bi­lier mit ih­rer jun­gen Ar­beits­grup­pe am Bre­mer Max-Planck-In­sti­tut für ma­ri­ne Mi­kro­bio­lo­gie ist op­ti­mis­tisch: „Mit klas­si­scher Mi­kro­bio­lo­gie kommt man bei die­sen Mul­ti-Sym­bi­ont-Wirt-Sys­te­men nicht weit. Die mo­der­nen Me­tho­den wie Fluo­res­zenz-in situ-Hy­bri­di­sie­rung und 16S rRNA-Ana­ly­tik sind ge­fragt. Da­mit ha­ben wir schnell zu­ver­läs­si­ge Da­ten, die dann zu über­prüf­ba­ren Mo­del­len füh­ren.“


Manfred Schlösser
Links
DFG-Schwerpunktprogramms 1144 "Vom Man­tel zum Oze­an: En­er­gie-, Stoff- und Le­bens­zy­klen an Sprei­zungs­ach­sen"

Census of Marine Life: Bio­geo­gra­phy of Deep-Wa­ter che­mo­syn­the­tic Eco­sys­tems


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