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13.08.2012 Mee­res­for­schung und der bra­si­lia­ni­sche Re­gen­wald

Jahr­hun­der­te an­hal­ten­de Brand­ro­dung als Quel­le von sta­bi­len Koh­len­stoff­ver­bin­dun­gen im Meer
 
Bis Mit­te des letz­ten Jahr­hun­derts er­streck­te sich der At­lan­ti­sche Re­gen­wald über wei­te Tei­le des heu­ti­gen Bra­si­li­ens, von Ama­zo­ni­en bis in den Sü­den zur ge­gen­wär­ti­gen ar­gen­ti­ni­schen Gren­ze. Nach Jahr­zehn­ten der Brand­ro­dung war in den 70er Jah­ren des ver­gan­ge­nen Jahr­hun­derts die­ser Re­gen­wald na­he­zu kom­plett ver­nich­tet, vor al­lem um Rin­der­wei­den Platz zu ma­chen. In die­ser Stu­die wird eine un­er­war­te­te Fol­ge der Ab­hol­zung auf­ge­deckt.
Zu­sam­men mit Kol­le­gen aus Bra­si­li­en und den USA konn­ten deut­sche Wis­sen­schaft­ler um Dr. Thors­ten Ditt­mar vom Max-Planck-In­sti­tut für Ma­ri­ne Mi­kro­bio­lo­gie nach­wei­sen, dass die Brand­ro­dung der ver­gan­ge­nen Jahr­hun­der­te gro­ße Men­gen Holz­koh­le im Wald­bo­den hin­ter­las­sen hat, die sich mit der Zeit auf­lö­sen, durch Re­gen­was­ser aus­ge­wa­schen und über Flüs­se ins Meer trans­por­tiert wer­den. Die­se ge­lös­te Koh­le be­steht aus ex­trem sta­bi­len Koh­len­stoff­ver­bin­dun­gen. Die vor­lie­gen­de Stu­die legt nahe, dass die Men­ge an die­ser sta­bi­len Form von Koh­len­stoff in der Tief­see durch mensch­li­che Ak­ti­vi­tät zu­neh­men wird, mit un­be­kann­ten Fol­gen auf ma­ri­ne Mi­kro­or­ga­nis­men und den glo­ba­len Koh­len­stoff­kreis­lauf. Die Er­geb­nis­se wur­den jetzt im in­ter­na­tio­na­len Fach­blatt Na­tu­re Geo­sci­ence ver­öf­fent­licht (DOI: 10.1038/​ngeo1541).
Brennender Regenwald im Atlantischen Nationalpark Brasiliens. Quelle: Gustavo Luna Peixoto, ICMBio, Rio de Janeiro, Brazil.

Die Mensch­heit nutzt seit Ur­zei­ten das Feu­er um Land ur­bar zu ma­chen. Als im 16. Jahr­hun­dert eu­ro­päi­sche Sied­ler nach Bra­si­li­en ka­men, war dies auch dort bald gän­gi­ge Pra­xis und der An­fang vom Ende des at­lan­ti­schen Re­gen­walds. Die Brand­ro­dung hat im Lau­fe der Jahr­hun­der­te den Re­gen­wald von mehr als 1,3 Mil­lio­nen auf jetzt nur noch 100000 Qua­drat­ki­lo­me­ter schrump­fen las­sen. Da­bei blie­ben 200-500 Mil­lio­nen Ton­nen Holz­koh­le in den Bö­den zu­rück.
Die­se im Bo­den ge­spei­cher­ten Ver­bren­nungs­rück­stän­de sind ex­trem sta­bi­le kom­ple­xe Koh­len­stoff­ver­bin­dun­gen. Die Was­ser­mas­sen wäh­rend der Re­gen­zeit wa­schen Tei­le die­ser Koh­le aus den Bö­den, und über Flüs­se ge­lan­gen die­se ins Meer, wo sie die bio­geo­che­mi­schen Stoff­kreis­läu­fe für Jahr­hun­der­te und Jahr­tau­sen­de be­ein­flus­sen wer­den.

Der at­lan­ti­sche Re­gen­wald er­streck­te sich frü­her an der Ost­küs­te des heu­ti­gen Bra­si­li­ens von 5 bis 28 Grad süd­lich des Äqua­tors über eine Flä­che von 1,3 Mil­lio­nen Qua­drat­ki­lo­me­tern. Bis Mit­te des 19. Jahr­hun­derts wa­ren da­von noch 95% in­takt. Doch der wach­sen­de Be­darf an Land­wirt­schaft führ­te zum Ein­satz mas­si­ver Brand­ro­dung, die erst 1973 en­de­te und nur noch 15% der ur­sprüng­li­chen Flä­che zu­rück­ließ. Heut­zu­ta­ge gibt es nur noch 8% der ur­sprüng­li­chen Flä­che, also rund 100000 Qua­drat­ki­lo­me­ter.
Es ist der Geist des zerstörten Waldes, den man heute in den Flüssen findet. In den Tropen werden Wälder in der Regel über die "Slash-and-Burn"-Praxis abgeholzt, große Stämme werden gezielt entnommen, der Rest wird einfach abgebrannt. Als Folge verbleiben große Mengen Holzkohle in den Böden zurück.
Schon 1843 machte der Künstler FÉLIX ÉMILE TAUNAY mit seinem Bild „Ansicht eines Urwaldes, der zu Holzkohle reduziert wird“ auf die Zerstörung des Regenwaldes aufmerksam. Öl auf Leinwand, 143 x 195 cm. Quelle: Museu Nacional de Belas Artes/IBRAM/MinC. (registro n°832) Foto: Jaime Acioli. http://www.mnba.gov.br/
Meeresforschung im Regenwald

Dr. Thors­ten Ditt­mar und sei­ne Ar­beits­grup­pe am Max-Planck-In­sti­tut für Ma­ri­ne Mi­kro­bio­lo­gie ver­fü­gen über ein hoch­emp­find­li­ches Mas­sen­spek­tro­me­ter, mit des­sen Hil­fe sie die kom­ple­xen Koh­len­stoff­ver­bin­dun­gen ana­ly­sie­ren und ver­fol­gen kön­nen (http://www.mpi-bremen.de/Spurensuche_im_Meer.html). Die Ar­beits­grup­pe ist an der Ol­den­bur­ger Uni­ver­si­tät als Au­ßen­stel­le des Max-Planck-In­sti­tuts eta­bliert und be­schäf­tigt sich seit ei­ni­gen Jah­ren mit dem Koh­len­stoff­kreis­lauf, ins­be­son­de­re dem ge­lös­tem or­ga­ni­schem Ma­te­ri­al im Meer.
 
Dr. Ditt­mar er­läu­tert, wie sie zum The­ma Re­gen­wald ka­men: „Vor ein paar Jah­ren konn­ten wir im Meer die ty­pi­schen Koh­len­stoff­ver­bin­dun­gen nach­wei­sen, die bei der Ver­koh­lung von Pflan­zen, also der Pro­duk­ti­on von Holz­koh­le ent­ste­hen. Wir ver­mu­te­ten, dass eine der Quel­len das Ab­bren­nen von Zu­cker­rohr­pflan­zen und Wald­brän­de in Bra­si­li­en sein könn­te. So ka­men wir als Mee­res­for­scher dazu, For­schung im Re­gen­wald zu ma­chen und Kon­takt zu bra­si­lia­ni­schen Kol­le­gen auf­zu­neh­men. Die hat­ten seit Jah­ren Bo­den- und Was­ser­pro­ben um das Ge­biet des Pa­rai­ba do Sul Flus­ses ge­nom­men.“

Die For­scher wa­ren sehr über­rascht, als sie die Bi­lan­zen auf­stell­ten. Es wur­den er­heb­lich mehr die­ser Koh­len­stoff­ver­bin­dun­gen wäh­rend der Re­gen­pe­ri­oden aus dem Bo­den ge­spült, als durch die jähr­li­che Ver­bren­nung nach­ge­lie­fert wur­de. „Als wir un­se­re Mess­wer­te aus den Pro­ben der bra­si­lia­ni­schen Kol­le­gen über die Jah­re mit den Nie­der­schlags­men­gen und dem Auf­tre­ten von Feu­ern in ei­ner über­sicht­li­chen Gra­fik dar­stell­ten, war der Zu­sam­men­hang klar. Die­se Men­gen Koh­len­stoffs kön­nen nur aus den Zei­ten der Brand­ro­dung stam­men.“

Die­se Ver­mu­tung konn­te dann durch wei­te­re Ex­pe­ri­men­te und Be­fun­de be­stä­tigt wer­den. Die Brand­ro­dung im gro­ßen Stil en­de­te 1973. Das jetzt prak­ti­zier­te Ab­ren­nen der Zu­cker­rohr­plan­ta­gen vor der Ern­te lie­fert Ver­bren­nungs­rück­stän­de von nur 190-740 Ton­nen Koh­len­stoff pro Jahr, doch die Men­ge an Koh­len­stoff­ver­bin­dun­gen im Pa­rai­ba do Sul wa­ren drei bis 16 Mal hö­her als die jähr­lich neu ent­ste­hen­den Men­gen. Hoch­ge­rech­net auf die ge­sam­te Flä­che des ehe­ma­li­gen Re­gen­walds schät­zen die For­scher, dass 50000 bis 70000 Ton­nen je­des Jahr durch Flüs­se ab­trans­por­tiert wer­den und im Meer lan­den. Und im La­bor konn­ten die For­scher aus den Bo­den­pro­ben des frü­he­ren Re­gen­walds die höchs­ten Kon­zen­tra­tio­nen lös­li­cher Koh­len­stoff­ver­bin­dun­gen her­aus­wa­schen. Es wur­de im­mer of­fen­sicht­li­cher: Die Kon­zen­tra­tio­nen im Fluss konn­ten nicht von den heu­ti­gen Zu­cker­rohr­plan­ta­gen stam­men, da auch fluss­auf­wärts hohe Kon­zen­tra­tio­nen nach­ge­wie­sen wer­den konn­ten, in Ge­bie­ten mit ge­rin­ger Dich­te an Zu­cker­rohr­plan­ta­gen.
Dr. Thorsten Dittmar bei der Injektion einer Probe in das Massenspektrometer. Quelle: Bastian Ehl, MPG.
Ausblick
„Es gibt Über­le­gun­gen un­ter Wis­sen­schaft­lern, Holz­koh­le als lang­fris­ti­gen Koh­len­stoffspei­cher zu nut­zen, um die­sen Koh­len­stoff aus dem glo­ba­len Kreis­lauf zu ver­ban­nen. Un­se­re Er­geb­nis­se zei­gen aber, dass die­ses Ver­fah­ren kein nach­hal­ti­ges Kon­zept sein kann, denn die­ser Koh­len­stoff lan­det frü­her oder spä­ter im Meer und ver­än­dert dort das Öko­sys­tem. Und wir wis­sen nichts über die Kon­se­quen­zen“, zieht Dr. Ditt­mar Bi­lanz. „Auch in ge­lös­ter Form ist Holz­koh­le in der Um­welt sehr sta­bil, denn es wird von Mi­kro­or­ga­nis­men kaum ab­ge­baut und kann da­her in al­len Welt­mee­ren nach­ge­wie­sen wer­den, bis in die ent­le­gens­ten Be­rei­che der Tief­see. Un­se­re Stu­die legt nahe, dass die­se sta­bi­le Form von Koh­len­stoff in der Tief­see durch mensch­li­che Ak­ti­vi­tät zu­neh­men wird, mit un­be­kann­ten Fol­gen auf ma­ri­ne Mi­kro­or­ga­nis­men und den glo­ba­len Koh­len­stoff­kreis­lauf.“

Man­fred Schlös­ser

Rückfragen an

Dr. Thors­ten Ditt­mar
Max-Planck-For­schungs­grup­pe Ma­ri­ne Geo­che­mie
In­sti­tut für Che­mie und Bio­lo­gie des Mee­res (ICBM)
Carl-von-Os­sietz­ky-Stras­se 9-11
D-26129 Ol­den­burg
Tel.: 0441 798-3602
E-Mail: tditt­mar@mpi-bre­men.de

Dr. Jut­ta Nig­ge­mann
Max-Planck-For­schungs­grup­pe Ma­ri­ne Geo­che­mie
In­sti­tut für Che­mie und Bio­lo­gie des Mee­res (ICBM)
Carl-von-Os­sietz­ky-Stras­se 9-11
D-26129 Ol­den­burg
Tel.: 0441 798-3365
E-Mail: jnig­ge­ma@mpi-bre­men.de


Oder an die Pressesprecher

Dr. Man­fred Schlös­ser
Max-Planck-In­sti­tut für Ma­ri­ne Mi­kro­bio­lo­gie
Cel­si­us­stra­ße 1, D-28359 Bre­men, Tel.: 0421 2028-704
E-Mail: mschloes@mpi-bre­men.de

Dr. Rita Dun­ker
Max-Planck-In­sti­tut für Ma­ri­ne Mi­kro­bio­lo­gie
Cel­si­us­stra­ße 1, D-28359 Bre­men, Tel.: 0421 2028-856
E-Mail: rdun­ker@mpi-bre­men.de


Originalartikel

Con­ti­nuous flux of dis­sol­ved black car­bon from a va­nis­hed tro­pi­cal fo­rest bio­me.
Thors­ten Ditt­mar, Car­los Edu­ar­do de Re­zen­de, Mar­cus Man­ecki, Jut­ta Nig­ge­mann, Al­va­ro Ra­mon Co­el­ho Oval­le, Aron Stub­bins and Mar­ce­lo Cor­rea Ber­nar­des. Na­tu­re Geo­sci­ence, 2012. Ad­van­ced On­line Pu­bli­ca­ti­on.
DOI: 10.1038/​ngeo1541
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