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Pio­nier­pro­jekt Tief­see­bo­den: Le­ben in der tie­fen Bio­sphä­re

Deut­sche Wis­sen­schaft­ler am in­ter­na­tio­na­len Bohr­pro­gramm maß­geb­lich be­tei­ligt.
 
Im an­ge­se­he­nen Fach­blatt Sci­ence be­rich­tet jetzt eine in­ter­na­tio­na­le Grup­pe von Wis­sen­schaft­lern über ihre Er­geb­nis­se von ei­ner mi­kro­bio­lo­gi­schen Ex­pe­di­ti­on im Rah­men des in­ter­na­tio­na­len Oce­an Dril­ling Pro­grams (ODP) zu den Küs­ten Pe­rus im Früh­jahr 2002 mit dem For­schungs­bohr­schiff "Joides Re­so­lu­ti­on". Nach ge­nau­er Ana­ly­se le­gen sie jetzt ihre über­ra­schen­den Be­fun­de vor. Tief im Mee­res­bo­den ent­deck­ten sie zahl­rei­che bis­her un­be­kann­te Bak­te­ri­en­ar­ten und konn­ten die von ih­nen ge­steu­er­ten Pro­zes­se stu­die­ren.


Das Licht der Son­ne ist die Quel­le al­len Le­bens auf der Erde. Licht er­mög­licht es den Pflan­zen, mit Hil­fe der Pho­to­syn­the­se En­er­gie zu spei­chern, die die Grund­la­ge für alle hö­he­ren Le­bens­for­men dar­stellt. Die Gren­zen des Le­bens aus­zu­lo­ten ist für Wis­sen­schaft­ler von be­son­de­rem In­ter­es­se. Fün­dig wur­den sie an vie­len Stel­len. Ob in hei­ßen Quel­len oder in der Käl­te der ark­ti­schen Ge­wäs­ser, die Na­tur schafft es im­mer wie­der, auch die­se ex­tre­men Stand­or­te mit Le­ben zu be­sie­deln. Es gab bis­her nur Schät­zun­gen, wie weit es die Le­be­we­sen in die Tie­fen des Mee­res­bo­dens ge­schafft ha­ben.
Dort wo kein Licht ist, müs­sen an­de­re Quel­len in Form von che­mi­schen Ver­bin­dun­gen als En­er­gie­quel­le die­nen. Aus frü­he­ren Ex­pe­di­tio­nen mit der "Joides Re­so­lu­ti­on" hat­te man Hin­wei­se, dass es in den Tie­fen der Erde Spu­ren von Le­ben gibt. Un­be­kannt war aber, wel­chen An­teil dar­an Or­ga­nis­men mit ei­nem ak­ti­ven Stoff­wech­sel stel­len oder ob es sich bei den Spu­ren haupt­säch­lich nur um fos­si­le Über­res­te längst ab­ge­stor­be­ner Mi­kro­ben bzw. um sta­bi­le Dau­er­for­men (Spo­ren) han­delt. Um ge­nau die­se Fra­ge zu lö­sen, ging im Früh­jahr 2002 eine in­ter­na­tio­na­le Grup­pe von Geo­che­mi­kern und Bio­lo­gen (da­von vie­le Deut­sche) im Ha­fen von San Die­go, Ka­li­for­ni­en, an Bord der "Joides Re­so­lu­ti­on". Ziel war der Kon­ti­nen­tal­hang vor Peru und der öst­li­che Teil des Pa­zi­fiks um die Ga­la­pa­gos In­seln. Auf dem Fahrt­ab­schnitt 201 teil­ten sich die bei­den Fahrt­lei­ter Prof. Dr. Bo Bar­ker Jør­gen­sen aus dem Bre­mer Max-Planck-In­sti­tut für ma­ri­ne Mi­kro­bio­lo­gie und Prof. Dr. Ste­ven D´Hondt von der Uni­ver­si­ty of Rho­de Is­land, USA, die Ver­ant­wor­tung für die­ses Pio­nier­pro­jekt.
Das Forschungsschiff "Joides Resolution" gehört seit mehr als 20 Jahren zum Internationalen Tiefseebohrprogramm (Ocean Drilling Project (ODP)/ Integrated Ocean Drilling Project (IODP, www.iodp.org)/ und ist für geologische Untersuchungen und Bohrungen besonders ausgerüstet. Im Rahmen der Expedition 201 gingen die Bohrer bei Wassertiefen von 100 bis 5000 m bis zu 420 m in den Meeresboden bis zur Basaltkruste. " Der strukturelle Aufbau ist fast so wie es aus dem Wattboden bekannt ist, nur sind die Zonen hundertfach ausgedehnter und die Prozesse laufen tausend Mal langsamer ab", meint Prof. Dr. Jørgensen.(Copyright ODP Program , www.iodp.org).
Mit dem Spe­zi­al­bohr­ge­stän­ge der "Joides Re­so­lu­ti­on" bohr­ten die For­scher Lö­cher in den Mee­res­bo­den und un­ter­such­ten dann den In­halt Schicht für Schicht. Was auf den ers­ten Blick ei­ner Stan­dard-Bohr­tech­nik gleich­kommt, steckt vol­ler Tü­cken. Um bei den Pro­ben si­cher zu sein, dass kei­ne Bak­te­ri­en von obe­ren Schich­ten oder aus dem Meer­was­ser bei der Boh­rung un­be­merkt in die Pro­ben kom­men, ha­ben die For­scher ein dop­pelt ab­ge­si­cher­tes Ana­ly­se­ver­fah­ren ent­wi­ckelt. Mit ei­ner Kom­bi­na­ti­on von zwei leicht nach­zu­wei­sen­den In­di­ka­tor­stof­fen konn­ten sie die­ses Pro­blem in den Griff krie­gen. Nur Bohr­ker­ne, bei de­nen bei­de In­di­ka­tor­sub­stan­zen nicht nach­weis­bar wa­ren, ka­men in die Wer­tung.
Jetzt lie­gen die ers­ten Aus­wer­tun­gen vor.
In al­len Bohr­ker­nen aus bis zu 420 Me­ter Tie­fe, also in bis zu 35 Mil­lio­nen Jah­re al­ten Ab­la­ge­run­gen, fan­den die For­scher Spu­ren von Le­ben. Un­ter dem Mi­kro­skop konn­ten sie in al­len Schich­ten in­tak­te Zel­len zäh­len. Je nach Tie­fe fan­den sie deut­li­che Ver­än­de­run­gen in den Kon­zen­tra­tio­nen ei­ner Rei­he von che­mi­schen Ver­bin­dun­gen und Ele­men­ten. Mit die­sen Tie­fen­pro­fi­len konn­ten die For­scher ge­nau be­rech­nen, wel­che Pro­zes­se dort ab­lau­fen. Man ver­mu­te­te zu­nächst, dass eine bis­her un­be­kann­te ver­steck­te Nah­rungs­quel­le wie Was­ser­stoff ge­nug En­er­gie für die Le­bens­pro­zes­se zur Ver­fü­gung stellt. Jetzt stellt sich her­aus, dass dies nicht der Fall ist und dass aus­rei­chend Nah­rung in Form von Koh­len­stoff­ver­bin­dun­gen vor­han­den ist, auch in den 35 Mil­lio­nen Jah­re al­ten Schich­ten. Die­ses or­ga­ni­sche Ma­te­ri­al stammt von vor Ur­zei­ten ab­ge­stor­be­nen Le­be­we­sen und ist der schwer ver­dau­li­che Rest, den Mi­kro­or­ga­nis­men nicht zer­set­zen konn­ten. Weil die­se Stof­fe so schwer ver­dau­lich sind, müs­sen die Le­bens­pro­zes­se in die­ser tie­fen Bio­sphä­re ex­trem lang­sam ab­lau­fen. In der Ar­beits­grup­pe Pa­läo­mi­kro­bio­lo­gie des Ol­den­bur­ger In­sti­tuts für Che­mie und Bio­lo­gie des Mee­res ge­lang es, aus den Pro­ben mehr als 170 Rein­kul­tu­ren zu iso­lie­ren. Sie fan­den min­des­tens 14 ver­schie­de­ne Ar­ten, dar­un­ter meh­re­re bis­her un­be­kann­te. Da­mit war der Be­weis er­bracht, dass es sich bei den Zel­len um ak­ti­ve Le­bens­for­men han­delt.



Für Prof. Dr. Bo Bar­ker Jør­gen­sen, den deut­schen Lei­ter des Pro­jekts, stel­len sich jetzt neue Fra­gen. Wie hängt die­se tie­fe Bio­sphä­re mit ih­ren ex­trem lang­sa­men Pro­zes­sen mit der obe­ren Bio­sphä­re zu­sam­men? Wie ist der Le­bens­raum struk­tu­riert? "Die Ant­wort auf die­se Fra­gen kann uns hel­fen zu ver­ste­hen, wie das Le­ben auf der Erde ent­stan­den ist und wie ähn­li­che Pro­zes­se auf an­de­ren Wel­ten ab­lau­fen könn­ten", fasst Jør­gen­sen zu­sam­men. Un­ter­stüt­zung für die deut­sche Be­tei­li­gung an die­sem ehr­gei­zi­gen Pro­jekt kommt von der Deut­schen For­schungs­ge­mein­schaft (DFG) und dem Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Bil­dung und For­schung (BMBF).


Man­fred Schlös­ser
Titel der Originalarbeit:

Dis­tri­bu­ti­ons of mi­cro­bi­al ac­tivi­ties in deep sub­seaf­loor se­di­ments
Ste­ven D’Hondt, Bo Bar­ker Jør­gen­sen, D. Jay Mil­ler, et al.
Sci­ence, Bd. 306, 24.12.2004




Ansprechpartner

Prof. Dr. Bo Bar­ker Jør­gen­sen (MPI), 0421-2028602, bjo­er­gen@mpi-bre­men.de

Prof. Dr. He­ri­bert Cy­pion­ka, (ICBM), 0441-798 5360, h.cy­pion­ka@icbm.de

Dr. Ti­mo­thy Fer­de­l­man (MPI), 0421-2028-651, tfer­de­lm@mpi-bre­men.de

Prof. Dr. Kai-Uwe Hin­richs, (Uni Bre­men), 0421-218-8640, khin­richs@uni-bre­men.de

Dr. Axel Schip­pers (BGR), 0511-643-3103, a.schip­pers@bgr.de

Pres­se­spre­cher des Max-Planck-In­sti­tuts für ma­ri­ne Mi­kro­bio­lo­gie
Dr. Man­fred Schlös­ser
Tel.: 0421-2028-704, mschloes@mpi-bre­men.de



Be­tei­lig­te In­sti­tu­tio­nen:

BGR: Bun­des­an­stalt für Geo­wis­sen­schaf­ten und Roh­stof­fe, Stil­le­weg 2, 30655 Han­no­ver, www.bgr.de

ICBM : In­sti­tut für Che­mie und Bio­lo­gie des Mee­res (ICBM), Uni­ver­si­tät Ol­den­burg D-26111 Ol­den­burg www.icbm.de/pmbio

MPI: Max-Planck-In­sti­tut für ma­ri­ne Mi­kro­bio­lo­gie, Cel­si­us­str. 1, 28359 Bre­men, 0421-2028-50, www.mpi-bremen.de

RCOM: DFG-For­schungs­zen­trum Oze­an­rän­der, Fach­be­reich Geo­wis­sen­schaf­ten, Uni­ver­si­tät Bre­men, www.rcom-bremen.de




Wei­te­res Fo­to­ma­te­ri­al hier http://www-odp.tamu.edu/public/life/leg201.html
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