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02.05.2015 Selbst­hei­len­der Be­ton

02.05.2015
Selbst­hei­len­der Be­ton: Nie­der­län­der für Ent­wick­lung des Bio­be­tons der Zu­kunft als Fi­na­list für den Eu­ro­päi­schen Er­fin­der­preis no­mi­niert
 
Selbstheilender Beton sorgt für Revolution im Bauwesen:
Hendrik Jonkers für Entwicklung des Biobetons der Zukunft als Finalist für den Europäischen Erfinderpreis nominiert

Ehe­ma­li­ger Max-Planck-Mit­ar­bei­ter Hen­drik Jon­kers ent­wi­ckelt Bio-Be­ton.

Ge­bäu­de und Bau­wer­ke aus Be­ton, die selbst in der Lage sind, span­nungs­be­ding­te Ris­se im Ma­te­ri­al wie von Zau­ber­hand zu schlie­ßen und sich selbst zu re­pa­rie­ren? Kei­ne Uto­pie mehr, son­dern dank der Er­fin­dung des Mi­kro­bio­lo­gen Hen­drik „Henk“ Ma­ri­us Jon­kers bald Rea­li­tät. Sei­ne Vi­si­on: die Zug­fes­tig­keit und Um­welt­freund­lich­keit des Ma­te­ri­als mit­hil­fe der Na­tur zu ver­bes­sern. So ent­wi­ckel­te der Nie­der­län­der den Bio­be­ton der Zu­kunft – mit Bak­te­ri­en, die bis zu 200 Jah­re in ei­ner Be­ton­struk­tur über­le­ben kön­nen, um bei auf­tre­ten­den Schä­den zu „er­wa­chen“ und sie durch die Pro­duk­ti­on von Kalk­stein zu hei­len. In Hin­blick auf die In­fra­struk­tur der Ge­bäu­de in Eu­ro­pa, die zu 70 Pro­zent aus Be­ton be­steht, ist Jon­kers‘ bahn­bre­chen­de In­no­va­ti­on viel­ver­spre­chend: Sie könn­te so­wohl die Kos­ten für die Be­ton­her­stel­lung und In­stand­hal­tung ver­rin­gern, als auch die dar­aus re­sul­tie­ren­den CO2-Em­mis­sio­nen ein­däm­men.

Für sei­ne Er­fin­dung wur­de der Nie­der­län­der jetzt als ei­ner von drei Fi­na­lis­ten für den re­nom­mier­ten Eu­ro­päi­schen Er­fin­der­preis 2015 in der Ka­te­go­rie „For­schung“ no­mi­niert. Am 11. Juni wird in Pa­ris die be­gehr­te Aus­zeich­nung im Rah­men ei­nes Fest­akts zum zehn­ten Mal ver­lie­hen.

„Hen­drik Jon­kers‘ bak­te­ri­en­hal­ti­ger Bio-Be­ton ver­län­gert die Le­bens­dau­er von Brü­cken, Stra­ßen und an­de­ren Bau­wer­ken, und er­öff­net da­mit völ­lig neue Per­spek­ti­ven für die Be­ton­pro­duk­ti­on“, sag­te EPA-Prä­si­dent Be­noît Bat­ti­stel­li bei der Be­kannt­ga­be der Fi­na­lis­ten. „Mit sei­ner zu­kunfts­wei­sen­den In­no­va­ti­on ist es ihm ge­lun­gen, die Mi­kro­bio­lo­gie mit dem Bau­in­ge­nieur­we­sen zu kom­bi­nie­ren – zwei Wis­sen­schaf­ten, die auf den ers­ten Blick kei­nen di­rek­ten Zu­sam­men­hang ha­ben.“

Jonkers nutzt Selbstheilungseffekt aus der Natur
Sei­ne Lei­den­schaft für Cam­ping und Tau­chen präg­te die Lauf­bahn Henk Jon­kers: So be­gann er mit dem Stu­di­um der Mee­res­bio­lo­gie an der Uni­ver­si­tät Gro­nin­gen in den Nie­der­lan­den. Nach sei­ner Pro­mo­ti­on im Sep­tem­ber 1999 kon­zen­trier­te sich sei­ne Ent­wick­lungs­ar­beit auf die Er­for­schung des Ver­hal­tens von Bak­te­ri­en. Mit kalk­pro­du­zie­ren­den Bak­te­ri­en ex­pe­ri­men­tier­te er erst­mals wäh­rend sei­ner Ar­beit als wis­sen­schaft­li­cher Mit­ar­bei­ter am Max-Planck-In­sti­tut für Ma­ri­ne Mi­kro­bio­lo­gie in Bre­men. Als In­spi­ra­ti­on für sei­ne For­schung dien­ten Or­ga­nis­men mit Selbst­hei­lungs­po­ten­zi­al, wie zum Bei­spiel der Ok­to­pus, bei dem ab­ge­trenn­te Ten­ta­keln nach­wach­sen, oder Pflan­zen, die mit Hil­fe ei­nes Ab­le­gers ei­nen völ­lig neu­en Or­ga­nis­mus aus­bil­den. Sein Weg führ­te ihn 2006 als Ex­per­te für das Ver­hal­ten von Bak­te­ri­en an die Fa­kul­tät für Bau­in­ge­nieur­we­sen und Geo­wis­sen­schaf­ten der Tech­ni­schen Uni­ver­si­tät Delft. Im Rah­men sei­nes dor­ti­gen For­schungs­pro­gramms setz­te sich Jon­kers zum Ziel, eine Lö­sung zu fin­den, um den Selbst­hei­lungs­ef­fekt von Or­ga­nis­men aus der Na­tur auf Be­ton zu über­tra­gen.

Über 200 Jahre eingekapselte Reparaturkraft
Um die Ris­se im Be­ton zu schlie­ßen, wähl­te Jon­kers Bak­te­ri­en­gat­tun­gen (Ba­cil­lus pseu­dor­mus und B. cohnii), die in der Lage sind, auf bio­lo­gi­sche Wei­se Kalk­stein zu pro­du­zie­ren. Ein po­si­ti­ver Ne­ben­ef­fekt der Kalk­stein­pro­duk­ti­on: Die Bak­te­ri­en ver­brau­chen bei die­sem Vor­gang Sau­er­stoff, wo­durch die Kor­ro­si­on von Stahl­be­ton im In­ne­ren ver­hin­dert wird. Für Men­schen sind die Bak­te­ri­en völ­lig un­ge­fähr­lich, da die­se nur un­ter den al­ka­li­schen Be­din­gun­gen in­ner­halb des Be­tons über­le­ben kön­nen. Auf die­ser Ba­sis ent­wi­ckel­ten Jon­kers und sein For­scher­team drei ver­schie­de­ne Ar­ten der bak­te­ri­en­hal­ti­gen Be­ton­mi­schung: Den selbst­hei­len­den Be­ton, der be­reits mit den Bak­te­ri­en ver­baut wird, so­wie den Re­pa­ra­tur­mör­tel und die flüs­si­ge Re­pa­ra­tur­lö­sung, die erst bei aku­ter Be­schä­di­gung auf die Be­ton­stel­len auf­ge­tra­gen wer­den.
Der selbst­hei­len­de Be­ton ist die kom­ple­xes­te der drei Va­ri­an­ten. Da­bei wer­den die Spo­ren der Bak­te­ri­en in zwei bis vier Mil­li­me­ter gro­ßen Ton­pel­lets ein­ge­kap­selt und der Be­ton­mi­schung zu­sam­men mit se­pa­rat ein­ge­schlos­se­nem Stick­stoff, Phos­phor und ei­nem Nähr­stoff auf Kal­zi­um­lak­tat-Ba­sis bei­ge­mischt. Der bahn­bre­chen­de An­satz die­ser Me­tho­de ge­währ­leis­tet, dass die Bak­te­ri­en bis zu 200 Jah­re schla­fend im Be­ton ver­har­ren und erst dann mit den Nähr­stof­fen in Kon­takt tre­ten, wenn Was­ser durch Ris­se in die Be­ton­kon­struk­ti­on ein­dringt – und nicht etwa beim Ze­ment­misch­pro­zess. Aus die­sem Grund eig­net sich die­se Va­ri­an­te vor al­lem für Bau­wer­ke, die der Wit­te­rung aus­ge­setzt sind und an Stel­len, die für War­tungs­ar­bei­ter schwer er­reich­bar sind. Teu­re und kom­pli­zier­te ma­nu­el­le Re­pa­ra­tu­ren wer­den so­mit über­flüs­sig.

Nachhaltige Präventionsmethode könnte die Betonherstellung revolutionieren
In den ver­gan­ge­nen Jah­ren durch­lief der bak­te­ri­en­hal­ti­ge Be­ton Lang­zeit­tests un­ter ver­schie­de­nen äu­ßer­li­chen Ein­flüs­sen an ei­nem spe­zi­ell er­rich­te­ten Ge­bäu­de im nie­der­län­di­schen Bre­da. Die Markt­ein­füh­rung des selbst­hei­len­den Be­tons soll noch in die­sem Jahr er­fol­gen. Denn Jon­kers‘ pa­ten­tier­te Er­fin­dung hat das Po­ten­zi­al, die In­stand­hal­tungs­kos­ten für Brü­cken, Tun­nel und Stütz­mau­ern, die sich al­lei­ne in den EU-Staa­ten jähr­lich auf vier bis sechs Mil­li­ar­den Euro be­lau­fen, deut­lich zu sen­ken. Ak­tu­ell forscht er an ei­ner al­ter­na­ti­ven Tech­nik zur Ein­kap­se­lung der Bak­te­ri­en. Da­mit wäre es mög­lich, die Pro­duk­ti­ons­kos­ten des bak­te­ri­en­hal­ti­gen Be­tons im Ver­gleich zur der­zei­ti­gen Me­tho­de der Par­ti­kel­be­schich­tung noch­mals um die Hälf­te zu sen­ken. Wäh­rend sich die Her­stel­lungs­kos­ten von her­kömm­li­chem Be­ton auf 80 Euro pro Ku­bik­me­ter be­lau­fen, wür­de ein Ku­bik­me­ter des selbst­hei­len­den Be­tons mit dem neu­en ein­ge­kap­sel­ten Wirk­stoff zwi­schen 85 und 100 Euro kos­ten – wo­bei sich die­se ge­ring­fü­gig hö­he­ren Kos­ten bei al­len Be­ton­kon­struk­tio­nen durch deut­lich nied­ri­ge­re Re­pa­ra­tur-und Aus­tausch­kos­ten über die ge­sam­te Le­bens­dau­er ei­nes Ge­bäu­des amor­ti­sie­ren.



Con­tacts:
Rai­ner Os­ter­wal­der
Di­rec­tor Me­dia Re­la­ti­ons Eu­ro­pean Pa­tent Of­fice
Tel. +49 (0)89 2399 1820ros­ter­wal­der@epo.org
Je­re­my Phil­pott
Pro­ject Ma­na­ger Eu­ro­pean Pa­tent Of­fice
Tel. +49 (0)89 2399 1805
jphil­pott@epo.org

Press officer
Man­fred Schloes­ser
Max Planck In­sti­tu­te for Ma­ri­ne Mi­cro­bio­lo­gy
Tel +49 421 2028704
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