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Über­le­bens­stra­te­gi­en der Schwe­fel­bak­te­ri­en

Schwe­fel-Bak­te­ri­en aus nord­spa­ni­schem Salz­see nut­zen glei­che zel­l­in­ter­ne Me­cha­nis­men zur En­er­gie­spei­che­rung wie Ihre Ver­wand­ten aus der Tief­see
 
Überlebensstrategien der Schwefelbakterien

Schwefel-Bakterien aus nordspanischem Salzsee nutzen gleiche zellinterne Mechanismen zur Energiespeicherung wie Ihre Verwandten aus der Tiefsee

Seit mehr als 100 Jah­ren sind die fa­den­för­mi­gen farb­lo­sen Schwe­fel­bak­te­ri­en, die Beggia­toa, den For­schern be­kannt. Das Be­son­de­re ne­ben ih­rer Mor­pho­lo­gie ist ihre che­mo­lit­ho­tro­phe Le­bens­wei­se – die Ver­at­mung von ei­ner an­or­ga­ni­schen Sub­stanz, Schwe­fel­was­ser­stoff (Sul­fid), mit Sau­er­stoff zur En­er­gie­ge­win­nung. Jetzt hat eine Dok­to­ran­din vom Bre­mer Max-Planck-In­sti­tut zei­gen kön­nen, dass die Schwe­fel­bak­te­ri­en in den Se­di­men­ten der Salz­se­en die­sel­ben Me­tho­den aber un­ter­schied­li­che Stra­te­gi­en zur Ver­wal­tung des zel­l­in­ter­nen En­er­gie­haus­halts wie ihre Ver­wand­ten aus der Tief­see zum Über­le­ben nut­zen.
Zwei Konfokal-Laser-Scanning-Mikrographien von Beggia­toa-Filamenten aus einen stark salzhaltigen See aus Nordspanien, „La Salada de Chiprana“.
Links:Titelbild der Zeitschrift Applied Environmental Microbiology, September 2007, Volume 73, Number 17. Einzelaufnahme eines Filaments, angefärbt mit FITC (zeigt die Vakuolen in grün) und Sypro Orange (Proteinfärbung in rot dargestellt). Die weißen Punkte zeigen die Schwefeleinschlüsse.
Rechts: Titelbild der Zeitschrift Applied Environmental Microbiology, Dezember 2007, Volume 73, Number 23. Anfärbung der Vakuolen eines Beggia­toa-Filaments mit FITC (grün). Elementarer Schwefel ist durch Reflexion als weiße Punkte sichtbar.

Beggia­toa sind Bak­te­ri­en und kom­men nur in Se­di­men­ten vor. Und auch nur dort, wo aus­rei­chend Schwe­fel­was­ser­stoff zur Ver­fü­gung steht. Das kann welt­weit an den ver­schie­dens­ten Stand­or­ten sein: In Klär­an­la­gen, in Seen mit viel or­ga­ni­schem Ma­te­ri­al, an Schwe­fel­quel­len, in Meer­was­ser-Höh­len, in nähr­stoff­rei­chen Küs­ten­ge­wäs­sern, auf ab­ge­stor­be­nem or­ga­ni­schen Ma­te­ri­al wie to­ten Hai­en, Wa­len und Ko­ral­len. Aber auch in der Tief­see in der Nähe von Gas­hy­dra­ten und schwar­zen Rau­chern, und in Seen oder künst­li­chen Be­cken zur Salz­ge­win­nung (Sa­li­nen) mit mehr als drei­fa­cher Salz­kon­zen­tra­ti­on des Mee­res.

Beggia­toa sind schon be­mer­kens­wert. Sie bil­den bis zu ei­nem Zen­ti­me­ter lan­ge Bak­te­ri­en­fä­den und sind im­mer auf Wan­der­schaft auf der Su­che nach Nah­rung.
Sie kön­nen ele­men­ta­ren Schwe­fel, der als Zwi­schen­form bei der Um­wand­lung von Schwe­fel­was­ser­stoff ent­steht, in ih­ren Zel­len ein­la­gern. Den nut­zen sie dann als En­er­gie­spei­cher, falls tem­pörär und in er­reich­ba­rer Um­ge­bung kein Sul­fid vor­han­den ist.

Um eben­so un­ab­hän­gig vom Sau­er­stoff-Vor­kom­men zu sein, hat sich die Na­tur eine wei­te­re zel­l­in­ter­ne Struk­tur ein­fal­len las­sen, die Va­kuo­le. In die­sem flüs­sig­keits­ge­füll­ten Hohl­raum, der den Groß­teil der Zel­len ein­nimmt, spei­chern sie Ni­trat in ho­hen Kon­zen­tra­tio­nen.

Die­ses Ni­trat nut­zen sie als Oxi­da­ti­ons­mit­tel, wenn der Sau­er­stoff zur Sul­fi­dum­set­zung nicht zur Ver­fü­gung steht. Bei­de Spei­cher sind an ver­schie­den Or­ten in ih­rer Um­ge­bung wie­der zu be­fül­len: Ni­trat wird durch das Meer­was­ser an die Ober­flä­chen der Mee­res­bö­den trans­por­tiert - Schwe­fel­was­ser­stoff hin­ge­gen en­steht eher in den tie­fe­ren Bo­den­schich­ten, wo or­ga­ni­sches Ma­te­ri­al von an­de­ren Spe­zia­lis­ten, den sul­fat­re­du­zie­ren­den Bak­te­ri­en pro­du­ziert wird. Sul­fat ist reich­hal­tig im Meer­was­ser vor­han­den und kann da­her auch in tie­fe­re Bo­den­schich­ten ein­drin­gen.
Die räum­li­che Lü­cke, die zwi­schen die­sen bei­den „Tank­stel­len“ liegt, über­win­den die Bak­te­ri­en durch Glei­ten. Die durch­schnitt­li­che Ge­schwin­dig­keit liegt bei 8mm/​h. Wenn alle Spei­cher voll sind, könn­ten sie theo­re­tisch meh­re­re Me­ter ohne Fut­ter­stop durch die Mee­res­bö­den wan­dern.
An­ders ver­hält es sich in den stark salz­hal­ti­gen Seen und Sa­li­nen (Salz­ge­win­nungs­be­cken). Hier le­ben die Mi­kro­or­ga­nis­men in zen­ti­men­ter­di­cken Bak­te­ri­en­mat­ten. In der Mat­te sind stän­dig wech­seln­de Be­din­gun­gen ge­ge­ben, denn die An­sied­lung vie­ler an­de­rer Bak­te­ri­en­ar­ten mit ih­ren un­ter­schied­li­chen Stoff­wech­sel­pro­duk­ten, und die welch­seln­de Licht­in­ten­si­tät je nach Son­nen­stand be­ein­flus­sen die Mi­kro­um­ge­bung von Beggia­toa.

Am Tag bil­den Cya­no­bak­te­ri­en durch Pho­to­syn­the­se Sau­er­stoff, wel­cher in die tie­fe­ren Schich­ten der Mat­te dringt. In der Nacht hin­ge­gen pro­du­zie­ren die un­te­ren Bak­te­ri­en­schich­ten Schwe­fel­was­ser­stoff, der nach oben dif­fun­diert. Die Beggia­toa ma­chen sich die­se stän­dig wech­seln­den Kon­zen­tra­tio­nen von Sau­er­stoff, Ni­trat und Schwe­fel­was­serr­stoff zu­nut­ze, um ihre Vor­rä­te auf­zu­bes­sern. Wäh­rend die Tief­see-Beggia­toa die­sen Stof­fen hin­ter­her wan­dern müs­sen, blei­ben die Mat­ten-Beggia­toa an Ort und Stel­le.

In ih­rer Ar­beit konn­te jetzt Su­san­ne Hinck die­se Wan­de­rungs­be­we­gun­gen und an­de­re Um­ge­bungs­pa­ra­me­ter ge­nau ver­fol­gen und zei­gen, dass bei­de Beggia­toa-Ar­ten die glei­chen Zell­struk­tu­ren für un­ter­schied­li­che Über­le­bens­stra­te­gi­en ein­set­zen. So ge­lingt es bei­den Ar­ten, den Wett­be­werbs­vor­teil in völ­lig ver­schie­de­nen Le­bens­räu­men ge­gen­über kon­kur­rie­ren­den Mi­kro­or­ga­nis­men zu si­chern.



Manfred Schlösser



Originalveröffentlichung:
Su­san­ne Hinck, Tho­mas R. Neu, Gau­te La­vik, Marc Muss­mann, Dirk de Beer, Henk M. Jon­kers
Phy­sio­lo­gi­cal Ad­ap­ta­ti­on of a Ni­tra­te-Sto­ring Beggia­toa sp. to Diel Cy­cling in a Pho­to­tro­phic Hy­per­sa­li­ne Mat
Ap­p­lied and En­vi­ron­men­tal Mi­cro­bio­lo­gy, Nov. 2007, Vol. 73, No. 21, p. 7013-7022.


Beteiligte Institute:

•Max-Planck-In­sti­tut für ma­ri­ne Mi­kro­bio­lo­gie, Cel­si­us­stra­ße 1, D-28359 Bre­men
•Helm­holtz Zen­trum für Um­welt­for­schung, Stand­ort Mag­de­burg, Brück­stra­ße 3a, D-39114 Mag­de­burg
•Uni­ver­si­tät Wien, Fa­kul­täts­zen­trum Öko­lo­gie, Athan­stra­ße 14, A-1090 Wien, Öster­reich
•Tech­ni­sche Uni­ver­si­tät Delft, CITG, Mi­crolab, Post­fach 5048, NL-2600 GA Delft, Die Nie­der­lan­de

Rückfragen an:

Su­san­ne Hinck
Max-Planck-In­sti­tut für ma­ri­ne Mi­kro­bio­lo­gie (www.mpi-bre­men.de)
shinck(at)mpi-bre­men.de / +49 (0)421 2028843

Dr. Dirk de Beer
Max-Planck-In­sti­tut für ma­ri­ne Mi­kro­bio­lo­gie (www.mpi-bre­men.de)
dbeer(at)mpi-bre­men.de / +49 (0)421 2028802

Pres­se­spre­cher des Max-Planck-In­sti­tuts für ma­ri­ne Mi­kro­bio­lo­gie
Dr. Man­fred Schlös­ser
mschloes(at)mpi-bre­men.de / +49 (0)421 2028704
 
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