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Wenn me­than­fres­sen­de Mi­kro­ben Am­mo­ni­ak es­sen

08.09.2020

Der Stoffwechsel von Mikroben, die sich von Methan ernähren, hat eine Nebenwirkung: Er kann auch Ammoniak umsetzen. Dabei produzieren die Mikroben Stickstoffmonoxid (NO), das eine zentrale Rolle im globalen Stickstoffkreislauf spielt. Forschende des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie, Bremen, und der Radboud Universität, Nijmegen (NL), haben nun das Enzym entdeckt, das NO produziert. Damit schließen sie eine wichtige Lücke in unserem Verständnis, wie methanfressende Mikroben mit steigenden Ammoniakkonzentrationen in der Umwelt – zum Beispiel aus Düngemitteln – umgehen.

Schlammtöpfe wie dieser in Solfatara, in der Nähe des Vesuvs, sind die scheinbar lebensfeindliche Heimat der von Kartal und seinen Kolleginnen und Kollegen untersuchten Mikroorganismen. (CC-SA 4.0 / Patrick Massot)
Schlammtöpfe wie dieser in Solfatara, in der Nähe des Vesuvs, sind die scheinbar lebensfeindliche Heimat der von Kartal und seinen Kolleginnen und Kollegen untersuchten Mikroorganismen. (CC-SA 4.0 / Patrick Massot)

Ei­ni­ge Mi­kro­or­ga­nis­men, die so ge­nann­ten Me­tha­notro­phen, le­ben da­von, dass sie Me­than (CH4) zu Koh­len­di­oxid (CO2) um­wan­deln. Am­mo­ni­ak (NH3) hat fast die glei­che Struk­tur wie Me­than. So kommt es, dass die Me­tha­notro­phen auch Am­mo­ni­ak ver­stoff­wech­seln. Da­bei ent­steht Ni­trit. Die­ser Pro­zess wur­de in Zell­kul­tu­ren im La­bor be­ob­ach­tet, den zu­grun­de­lie­gen­den bio­che­mi­schen Me­cha­nis­mus ver­stand man bis­her aber nicht. Boran Kartal, Lei­ter der Gruppe Mikrobielle Physiologie am Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie in Bre­men und eine Grup­pe von For­schen­den der Rad­boud Uni­ver­si­tät in Ni­j­me­gen, Nie­der­lan­de, be­schrei­ben nun ein span­nen­des, bis­lang feh­len­des Bin­de­glied in die­sem Pro­zess: die Pro­duk­ti­on von Stick­stoff­mon­oxid (NO).

Stick­stoff­mon­oxid ist ein sehr re­ak­ti­ves und gif­ti­ges Mo­le­kül, das eine fas­zi­nie­ren­de und viel­sei­ti­ge Rol­le in der Bio­lo­gie und At­mo­sphä­ren­che­mie spielt. Es ist ein Si­gnal­mole­kül zur In­for­ma­ti­ons­über­tra­gung bei­spiels­wei­se im mensch­li­chen Kör­per, ein Vor­läu­fer des star­ken Treib­haus­ga­ses Stick­oxid (N2O), scha­det der Ozon­schicht und ist ein wich­ti­ges Zwi­schen­pro­dukt im glo­ba­len Stick­stoff­kreis­lauf. Nun zeigt sich, dass NO auch der Schlüs­sel für das Über­le­ben der Me­tha­notro­phen ist, die es in der Um­welt mit Am­mo­ni­ak zu tun krie­gen – was mit zu­neh­men­dem Dün­ge­mit­telein­trag in die Na­tur mehr und mehr der Fall ist. Wenn die Me­tha­notro­phen Am­mo­ni­ak mit­nut­zen, pro­du­zie­ren sie zu­nächst Hy­droxyl­a­min. Hy­droxyl­a­min aber hemmt an­de­re wich­ti­ge Stoff­wech­sel­pro­zes­se, was zum Zell­tod führt. Da­her müs­sen die Me­tha­notro­phen das Hy­droxyl­a­min so schnell wie mög­lich wie­der los­wer­den. „Für die me­than­fres­sen­den Mi­kro­ben ist es also eine Fra­ge von Le­ben oder Tod, ein En­zym zu be­sit­zen, das das Hy­droxyl­a­min um­wan­delt“, so Kar­tal.

Kar­tal und sei­ne Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen un­ter­such­ten in die­ser Stu­die ein me­tha­notro­phes Bak­te­ri­um na­mens Methylacidiphilum fumariolicum, das aus ei­nem vul­ka­ni­schen Schlamm­topf in der Nähe des Ve­suvs in Ita­li­en stammt, ein Ort mit ho­hen Tem­pe­ra­tu­ren und nied­ri­gem pH-Wert. „Von die­ser Mi­kro­be ge­wan­nen wir ein so­ge­nann­tes Hy­droxyl­a­min-Ox­ido­re­duk­ta­se(mHAO)-En­zym“, er­klärt Kar­tal. „Bis­her glaub­te man, dass Me­tha­notro­phe mit dem En­zym mHAO Hy­droxyl­a­min zu Ni­trit oxi­die­ren. Nun konn­ten wir zei­gen, dass es viel­mehr sehr schnell NO pro­du­ziert.“ Das mHAO-En­zym ist dem En­zym sehr ähn­lich, das „ech­te“ am­mo­ni­ak-oxi­die­ren­de Mi­kro­ben ver­wen­den. Das ist ziem­lich er­staun­lich, wie Kar­tal er­läu­tert: „Wir wis­sen jetzt, dass es en­zy­matisch kei­nen gro­ßen Un­ter­schied zwi­schen ae­ro­ben am­mo­ni­ak- und me­than­oxi­die­ren­den Bak­te­ri­en gibt. Un­ter Ver­wen­dung des mehr oder we­ni­ger glei­chen Sat­zes von En­zy­men kön­nen Me­tha­notro­phe de facto als Am­mo­ni­ak-Oxi­die­rer in der Um­welt agie­ren. Al­ler­dings wis­sen wir noch nicht, wie die­se Mi­kro­ben NO wei­ter zu Ni­trit oxi­die­ren.“

Die An­pas­sung des mHAO-En­zyms an die hei­ßen vul­ka­ni­schen Schlamm­töp­fe ist eben­falls fas­zi­nie­rend, so Kar­tal: „Auf der Ebe­ne der Ami­no­säu­ren sind das mHAO und sein Pen­dant aus den am­mo­nia­k­oxi­die­ren­den Mi­kro­ben sehr ähn­lich. Aber das Pro­te­in, das wir aus M. fumariolicum iso­liert ha­ben, läuft bei Tem­pe­ra­tu­ren bis zu 80 °C zu Höchst­form auf – fast 30 °C über dem Tem­pe­ra­tur­op­ti­mum sei­ner „ei­gent­li­chen“ am­mo­nia­k­oxi­die­ren­den Ver­wand­ten. Es wird sehr span­nend zu er­for­schen sein, wie so ähn­li­che En­zy­me so un­ter­schied­li­che Tem­pe­ra­tur­op­ti­ma und -be­rei­che ha­ben kön­nen.“

Die Pro­duk­ti­on von NO aus Am­mo­ni­ak hat auch Aus­wir­kun­gen auf me­than­fres­sen­de Mi­kro­ben, so Kar­tal: „Der­zeit sind kei­ne Me­tha­notro­phen be­kannt, die da­von le­ben kön­nen, Am­mo­ni­ak über NO zu Ni­trit zu oxi­die­ren. Aber es könn­te sol­che Mi­kro­ben ge­ben, die ei­nen Weg ge­fun­den ha­ben, die Am­mo­nia­kum­wand­lung mit ih­rem Zell­wachs­tum zu ver­bin­den.”

Unscheinbar, aber doch sehr bemerkenswert: Eine Zelle von Methylacidiphilum fumariolicum unter dem Elektronenmikroskop. (© Laura van Niftrik)
Unscheinbar, aber doch sehr bemerkenswert: Eine Zelle von Methylacidiphilum fumariolicum unter dem Elektronenmikroskop. (© Laura van Niftrik)

Ori­gi­nal­ver­öf­fent­li­chung

Wou­ter Ver­s­ant­vo­ort, Ar­jan Pol, Mike S. M. Jet­ten, Lau­ra van Nift­rik, Joa­chim Rei­mann, Bo­ran Kar­tal, and Huub J. M. Op den Camp: Multiheme hydroxylamine oxidoreductases produce NO during ammonia oxidation in methanotrophs. PNAS. Sep­tem­ber 2020.

DOI: 10.1073/pnas.2011299117

Be­tei­lig­te In­sti­tu­tio­nen

Max-Planck-In­sti­tut für Ma­ri­ne Mi­kro­bio­lo­gie, Bre­men

Rad­boud Uni­ver­si­ty, Ni­j­me­gen, Nie­der­lan­de

Rück­fra­gen bit­te an:

Gruppenleiter

Forschungsgruppe Mikrobielle Physiologie

Dr. Boran Kartal

MPI für Marine Mikrobiologie
Celsiusstr. 1
D-28359 Bremen

Raum: 

3126

Telefon: 

+49 421 2028-6450

Dr. Boran Kartal

Pressereferentin

Dr. Fanni Aspetsberger

MPI für Marine Mikrobiologie
Celsiusstr. 1
D-28359 Bremen

Raum: 

1345

Telefon: 

+49 421 2028-9470

Dr. Fanni Aspetsberger
 
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