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Wie ein Industrie-Bakterium Kohlenmonoxid in Biokraftstoff umwandelt

29.10.2025

Forschende zeigen die Schlüsselrolle eines wolframhaltigen Enzyms bei der Herstellung von Ethanol aus Kohlenmonoxid durch das Bakterium Clostridium autoethanogenum. Diese Entdeckung beendet eine langjährige Debatte in der Biochemie und liefert neue Erkenntnisse darüber, wie Bakterien industrielle Abgase in wertvolle Biokraftstoffe und Chemikalien umwandeln können.

Wie verwandelt man giftigen Müll in Kraftstoff? Frag das Bakterium! Ein Team aus Forschenden des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie und einem Kollegen vom Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik zeigt nun experimentell, mit welchen molekularen Tricks das Bakterium Clostridium autoethanogenum Industrieabgase in Ethanol umwandelt. Das ist auch wichtig für die nachhaltige Kraftstoff- und Chemikalienproduktion.

Eine rätselhafte Mikrobe im Dienst der grünen Technologie

Das erstmals aus Kaninchenkot isolierte Bakterium Clostridium autoethanogenum kann auf reinem Kohlenmonoxid gedeihen – ein für die meisten Organismen, auch den Menschen, tödliches Gas. Dieses außergewöhnliche Bakterium nutzt das Gift, um aus dem enthaltenen Kohlenstoff Zellmaterial herzustellen, und gewinnt seine Energie aus den nachfolgenden chemischen Reaktionen. Mit Hilfe dieser Reaktionen können wertvolle Chemikalien und Kraftstoffe hergestellt werden, die sich sehr gut für die nachhaltige Biotechnologie eignen.

Obwohl das Bakterium bereits in vielen Industrieanlagen zur Herstellung von Ethanol eingesetzt wird, wusste man bisher nicht, wie die Ethanolproduktion genau abläuft. Ein wichtiger Schritt bei der Reaktion ist vermutlich die Reduktion von Acetat zu Acetaldehyd. Einige Fachleute hielten dies jedoch bei Organismen für nicht machbar. Die nun in Nature Chemical Biology veröffentlichte Studie klärt diesen Widerspruch auf und löst das Rätsel.

Die Acetatreduktion molekular verstehen

Das Enzym, das die anspruchsvolle chemische Reaktion vermutlich durchführt, heißt Aldehyd:Ferredoxin-Oxidoreduktase (AFOR). Es enthält Wolfram, das schwerste in der Biologie vorkommende Atom. Zusätzlich enthält es eine Gruppe aus Eisen und Schwefel, die ihm eine dunkelbraune Farbe verleiht. Mit Hilfe fortschrittlicher Techniken isolierten die Max-Planck-Forschenden das Enzym aus C. autoethanogenum und bestimmten seine atomare Struktur mittels Röntgenkristallographie. Mit der dreidimensionalen Struktur konnten die Forschenden das wolframhaltige Element darstellen und seine Umgebung sehr genau beschreiben. Allerdings gab es ein Problem: Das Enzym war inaktiv. „In langer und harter Arbeit haben wir aber einen Weg gefunden, es zu reaktivieren“, erklärt Olivier Lemaire, der zusammen mit Tristan Wagner die Forschung leitete. „Auf diese Weise konnten wir das Enzym charakterisieren“, fügt, Mélissa Belhamri, ebenfalls Erstautorin der Studie, hinzu. „Es hat eine relativ große Bandbreite an Substraten, was eventuell sogar ermöglicht, neben Ethanol auch andere Alkohole herzustellen.“

Teamwork der Enzyme ermöglicht die schwierige Reaktion

Als nächstes mussten die Forschenden aufklären, wie AFOR eine Reaktion durchführen kann, die eigentlich nicht möglich ist. „Wir wussten, dass das Enzym Acetat aufgrund der Gesetze der Thermodynamik nicht einfach reduzieren würde. Also ließen wir uns von den Tricks inspirieren, die das Bakterium anwendet, wenn es auf Kohlenmonoxid wächst“, sagt Wagner. Die Lösung: Dem AFOR zusätzliche Enzyme zuzumischen. Die Forschenden bauten so im Reagenzglas einen „künstlichen Reaktionsweg“ und produzierten erfolgreich Ethanol aus Acetat. Das bestätigt, dass die gesamte Reaktionssequenz innerhalb der Zelle biologisch machbar ist.

Abbildung 1
Das Bakterium C. autoethanogenum (Mitte, oben) wird in industriellen Umwandlungsanlagen eingesetzt, um Abgase, die reich an CO₂ und CO sind, zu entgiften und gleichzeitig verschiedene Verbindungen, einschließlich des Biokraftstoffs Ethanol, zu produzieren. Forschende zeigten den Reaktionsmechanismus eines der herausforderndsten Schritte im Prozess: die Umwandlung von Acetat zu Acetaldehyd, das anschließend zu Ethanol reduziert wird. Das verantwortliche Enzym AFOR (lila) steuert diese Schlüsselreaktion mithilfe eines spezifischen, auf Wolfram (W) basierenden katalytischen Cofaktors. Die dafür benötigten niederpotenziellen Elektronen werden von Ferredoxinen (Fd, Fdₒₓ in der oxidierten Form und Fdᵣₑd⁻ in der reduzierten Form) über die CO-Oxidation durch ein weiteres Metalloenzym, das CODH (in Orange), bereitgestellt. Die Stöchiometrie der Reaktionen wird in der Abbildung nicht berücksichtigt. © Olivier Lemaire / Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie

Umwandlung von Abfall in nützliche Produkte

Diese Forschung liefert ein lang ersehntes Teil des metabolischen Puzzles der Ethanolproduktion in diesem Organismus, mit weitreichenden Folgen. „Durch die Entdeckung des Reaktivierungsmechanismus von AFOR, seine molekulare Beschreibung auf atomarer Ebene und unsere Rekonstruktion der Ethanolproduktion wird es möglich sein, den Stoffwechsel von C. autoethanogenum so zu verändern, dass andere nützliche und wertvolle Substanzen aus Industrieabgasen hergestellt werden können“, so Belhamri. Der Prozess kann auch auf andere Organismen übertragen werden. Dies wird die möglichen Quellen für eine mikrobielle Biokraftstoffproduktion drastisch erweitern. „Dies ist ein weiterer Schritt nach vorn bei der Erzeugung grüner Energie durch die biologische Umwandlung von Gasen, ein klarer Fortschritt in der kreislauforientierten Kohlenstoffwirtschaft. Er macht Hoffnung auf eine sauberere und intelligentere Art des Kohlenstoffrecyclings“, schließt Lemaire.

Originalveröffentlichung

Olivier N. Lemaire, Mélissa Belhamri, Anna Shevchenko, and Tristan Wagner (2025): Carbon monoxide-driven bioethanol production operates via a tungsten-dependent catalyst. Nature Chemical Biology, online veröffentlicht 29.10.2025 (online vorab als bioRxiv preprint4. September 2024).

DOI: https://doi.org/10.1101/2024.07.29.605569

Beteiligte Institutionen

  • Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie, Celsiusstraße 1, 28359, Bremen, Deutschland
  • Max-Planck-Institut für Molekulare Zellbiologie und Genetik, 01307, Dresden, Deutschland
  • Univ. Grenoble Alpes, CEA, CNRS, Institut de Biologie Structurale, 38000, Grenoble, Frankreich

Rückfragen bitte an:

Gruppenleiter

Dr. Tristan Wagner

MPI für Marine Mikrobiologie
Celsiusstr. 1
D-28359 Bremen

Telefon: 

+49 421 2028-7440

Dr. Tristan Wagner

Pressereferentin

Dr. Fanni Aspetsberger

MPI für Marine Mikrobiologie
Celsiusstr. 1
D-28359 Bremen

Raum: 

1345

Telefon: 

+49 421 2028-9470

Dr. Fanni Aspetsberger
 
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